Ich glaub, ich lieb euch alle
ihrer Pobacken sieht. Will der Kostümdesigner eigentlich damit bezwecken, dass ich total aus dem Konzept komme?!
Ich bin jetzt dran mit » Ich habe ein bisschen mehr investiert in die Kleine als nur ein wenig Geld«, und dann beginnt die Begleitmusik zu einem meiner schwierigsten Songs, » Luck be a Lady Tonight«. Doch ich kann an nichts anderes denken als an die Mädels da vor der Bühne, wie sie mit ihren Hintern wackeln. Scheinbar hat der Klavierspieler mitbekommen, wohin ich glotze, denn jetzt haut er so richtig in die Tasten und reißt mich so aus meinem Tagtraum.
In dem Song geht es ums Glücksspiel, ein recht schneller Song. Normalerweise komm ich irgendwo mittendrin raus, aber bis jetzt komm ich ganz gut mit. Ich besinge die Würfel, sodass sie das tun, was ich von ihnen erwarte, sobald ich sie werfe. Und ich flehe singend darum, Lady Luck möge mir heut Abend nicht die kalte Schulter zeigen!
Ich werfe die Würfel und gehe mit den Händen ganz lässig in den Hosentaschen eine Runde. Die Turnanzuglady hätte gern, dass ich dabei mehr tänzle und galoppiere, doch ich sag immer: » Ein Gangster galoppiert nicht. Er stolziert!« Langsam scheint sie’s zu kapieren. Abby schüttelt nur den Kopf.
Als wir zusammen » I’ve never been in Love before« singen, wünsche ich mir, so gut singen zu können wie Abby. Es ist ein Liebeslied, und ich fühle es ganz tief in mir drin. Ich sehe ihr in die Augen, und in diesem Augenblick bin ich felsenfest davon überzeugt, dass sie mich auch liebt.
Es gab da ein paar Szenen, da war ich mir sicher, dass sie mich nicht liebt. Im ersten Akt muss sie mir zwei Mal eine runterhauen. Und diese Augenblicke kostet sie so richtig aus. Miss McDougle ist Verfechterin des Realismus, daher gibt es in der Merrian-Theatergruppe keine vorgetäuschten Ohrfeigen. Das ist zwar klasse fürs Publikum, aber ich werd wie ein alter Boxer einen Schatten kriegen, weil ich zu viele Schläge auf den Kopf abgekriegt habe. Und Abby gibt es mir jedes Mal so richtig– so richtig FEST! Einmal erwischt sie mich so heftig, dass ich glatt meine nächste Textzeile vergessen habe. Kleine zwitschernde Vögel kreisen um meinen Kopf, und Miss McDougle sagt: » Carter! Ich werde noch mal vorbeikommen. Sag bitte deinen Text, komm doch!«
Ich weiß meinen Text schon, Lady. Es muss nur irgendjemand erst mal bis acht zählen, bevor ich die Worte rausbringe!
Ich schüttle mich, und Miss McDougle meint: » Okay, ihr beiden, fangt doch bitte noch einmal mit der Ohrfeige an.«
Und noch ehe ich mich einigermaßen aufgerappelt habe, ZAAAACK!, verpasst Abby mir schon wieder eine. VERDAMMTE SCHEISSE noch mal, dieses Miststück!
» Ich werde noch mal vorbeikommen, nur für den Fall, dass du mir auch noch die andere Wange ohrfeigen möchtest!«, kreische ich.
Miss McDougle hat nach der Probe tatsächlich nichts weiter zu mir zu sagen als: » Carter, du zuckst ja schon vor der Ohrfeige zusammen. Du weißt doch gar nicht, was gleich passiert, Kumpel.«
Ach, das bin ich also, ein » Kumpel«? Klar, daran muss ich arbeiten! Vielleicht sollte ich mich in meiner Freizeit zum Marine Corp melden, um mich etwas abzuhärten!
Davon einmal abgesehen, habe ich allerdings ziemlich viel Spaß beim Theaterspielen, so viel Spaß hatte ich noch nie. Ich fühle mich klüger und selbstbewusster und irgendwie lache ich die ganze Zeit nur noch. Und auch wenn ich mir das vielleicht bloß einbilde, finde ich, dass, wenn die Leute mit mir reden, sie ganz anders klingen als früher, es liegt ein seltsamer Ton in ihrer Stimme… Ich glaube, man nennt das Respekt.
Das Leck
Fünf Tage vor der Premiere kommt Nick Brock zu uns nach Hause, um mit uns zu Abend zu essen. Das ist jedes Mal grandios, wenn er zu uns kommt, denn dann ist meine Schwester zu allen ganz ausgesprochen nett. Ich muss einfach über sie lachen, als sie sagt: » Mutter, wärst du bitte so nett, mir diesen überaus köstlichen Auflauf zu reichen?«, statt dass sie das übliche » Gib mir was von dem Fraß da in der Schüssel, bevor ich vor Hunger noch umkippe!« verlauten lässt.
Ich rede mit Nick über die Reparaturen an seinem Truck und wie es beim Baseball so läuft. Ich erkläre ihm, dass ich wegen dem ganzen Nachsitzen noch kein Einziges von den Spielen gesehen habe, da fällt Lynn mir plötzlich ins Wort und meint: » Würdest du bitte etwas leiser sprechen?!«
» Oh, rede ich etwa zu laut?«, erkundige ich mich.
» Ja, das tust du, und es ist außerordentlich störend,
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