Ich glaub, ich lieb euch alle
verbieten, mich für die Beleuchtungscrew zu bewerben. Ich trage mich jetzt in diese Liste ein, ob es Ihnen und Ihren Theaterfreaks nun gefällt oder nicht!«, erkläre ich.
Oops, ich habe soeben eine Lehrkraft angebrüllt. Das hätte ich nicht tun dürfen. McDougle ist immerhin meine Lieblingslehrerin. Sie ist hübsch und redet nie mit mir, als wäre ich nur ein dummes Kind. Es ist fast so, als würde sie mich respektieren… oder so was in der Art. Vielleicht ist das der Grund, weshalb ich sie gerade angeschrien hab. Wenn sie mich wie einen Penner behandeln würde wie all die anderen Lehrer, dann hätte ich nie den Mut aufgebracht, auf sie loszugehen.
» Du wirst in dem Stück mitspielen, Carter. Du kannst nicht auch noch Beleuchter sein«, erklärt Miss McDougle.
» Wie bitte? Ich werde was? Nee-nee!«, sage ich wie belämmert. » W-w-welche, welche Rolle denn? Darf ich ein Kostüm tragen? Werd ich den fetten Typen spielen?«
» Sky Masterson«, meint sie kopfschüttelnd.
Sky Masterson? Sky… Masterson? Was für eine Rolle ist das denn? Moment mal? » Ich krieg die VERDAMMTE BRANDO-ROLLE?!«, brülle ich. » Sie haben tatsächlich die Hauptrolle in dem Stück einem Freshman gegeben? Sind Sie denn total verrückt?!«
Miss McDougle lacht bloß.
» Was ist daran so komisch? Das ist überhaupt nicht komisch! Ich meine, ganz herzlichen Dank, aber das geht auf gar keinen Fall, ernsthaft!«, schreie ich.
Jetzt ist sie echt sauer auf mich. » Komm sofort hierher!«, brüllt sie und schubst mich in die Umkleidekabine.
Ich kann inzwischen kaum mehr atmen.
» Mr Carter, ungefähr hundert Leute waren zum Vorsprechen für diese Rolle da und sie haben sie nicht bekommen. Du bist wirklich überaus taktlos!«, schreit sie mich an.
» Was bin ich? I-i-ich seh die Sache doch bloß realistisch! Ich kann das nicht!«, protestiere ich.
» Und ob du das kannst! Ich hätte dich ja schließlich nicht für die Rolle ausgewählt, wenn du es nicht könntest. Du warst der Einzige von den Jungs, der die Rolle des Sky richtig getroffen hat. Zwischen dir und Abby, da stimmt die Chemie. Ich musste euch beiden ganz einfach die Rollen geben, ganz gleich, wie sehr man mir jetzt auch die Hölle heiß machen mag, dass ich zwei Freshmen gecastet habe.«
» Also spielt Abby wirklich die Sarah?«, erkundige ich mich.
» Natürlich. Ihr beide wart um Klassen besser als der ganze Rest. Ihr wart so AUTHENTISCH und so leidenschaftlich. Die Leute gehen ins Theater, um genau das zu sehen, Carter.«
» Wirklich?«, frage ich.
» Klar. Allerdings habe ich gehört, dass wir an deinen Tanzkünsten noch ein wenig arbeiten müssen.«
» Nee, ich kann tanzen. Ich kann bloß nicht zählen«, versichere ich ihr.
Das Stück
Die komplette Besetzung trifft sich zu einer ersten Probe, bei der wir gemeinsam im Skript lesen. Uns steht leider kein Tisch zur Verfügung, an dem zweiunddreißig Schüler und zehn Erwachsene Platz hätten, daher sitzen wir in einem engen Kreis aus Klappstühlen und lesen laut vor. Ich hab es immer gehasst, vor anderen reden zu müssen, die Sache wird also schlimm werden für mich. Aber Abby ist ja da. Ich hatte erwartet, dass sie auf mich losgestürmt kommen würde, um mich zu beglückwünschen oder mir zu danken, um mir einen dicken Schmatz zu geben oder mir ihre Brüste zu zeigen… irgendwas in der Art. Doch sie hat keinen Ton zu mir gesagt. Miss McDougle hat sie gezwungen, sich neben mich zu setzen, da die meisten Dialoge zwischen ihr (Sarah) und mir (Sky) stattfinden. Jeremy sitzt zu meiner Linken, weil er meinen besten Kumpel spielt, Nathan Detroit (Sinatra). Alle sitzen dicht an dicht im Kreis, aber ich hab trotzdem noch ein bisschen Ellbogenfreiheit. Ich befürchte, alle in dem Kreis hassen mich. Ich versuche, so zu tun, als würde mir das nichts ausmachen, und lese einfach aus dem Skript. Ich stecke den Kopf so tief in den Scheißtext, als wäre ich ein professioneller Schauspieler, den nichts aus dem Konzept bringen könnte. Verdammte Scheiße! Ich hab ja sooooo viel Text. Viel zu viel! Gütiger Gott, wir sollten das wirklich kürzen, McDougle. Warum überlassen wir nicht einen Teil von meinem Text dem fetten Typen? Er redet doch so gern.
Zu Beginn habe ich kaum Text, daher versuche ich, mich auf das zu konzentrieren, was in dem Stück geschieht. Außerdem bin ich ziemlich damit beschäftigt, zu schwitzen und vor Aufregung zu zittern, weil ich bald mit meinem Text dran bin. Ist es hier drinnen eigentlich so heiß?
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