Ich glaub, ich lieb euch alle
keinen Umständen zu meinem Spitznamen werden. Doch ich bin ja schlau genug, um zu wissen, dass man einen Spitznamen noch am ehesten behält, wenn man gegen das verdammte Ding protestiert. Ich muss cool bleiben. Ganz ungerührt ignoriere ich Bag und widme J-Low meine ganze Aufmerksamkeit. Ich muss herausfinden, inwieweit Gefahr besteht, dass er mich von nun an Schlappi nennt.
» W-w-warst du diesen Sommer bei deinem Dad?«, frage ich schnell.
» Ja, war scheiße. Der Typ ist ein verdammter Hippie. Er hat nicht mal einen Fernseher«, antwortet er.
» Aber es ist doch Sommer, Mann, da kannst du doch jeden Tag ins Freibad gehen«, sage ich und schaue schnell weg, weil ich mich über mich selbst ärgere. Das ist genau das Thema, das ich nicht hätte ansprechen sollen!
» Ja, ich hab schon von deinem Auerbach gehört, du Hund«, sagt J-Low mit einem Grinsen.
Gratuliere, dein neuer Spitzname lautet … Schlappi! Aber ich werde nicht kampflos aufgeben. Jetzt können nur noch drastische Maßnahmen verhindern, dass Schlappi für immer bei mir bleibt, und deshalb mache ich den Angriff nach vorn und sage: » Klar, und ich bin fast den ganzen Sommer über gelaufen.«
EJ und Bag sehen mich komisch an, aber sie können ja nicht über all meine Aktivitäten Bescheid wissen! Ich hätte ja Mitglied in einer Nachtlaufgruppe sein können.
» Du bist gelaufen, Schlapp?«, grölt EJ.
Das war jetzt schon das zweite Mal. Verdammte Scheiße! Wenn mich noch jemand so nennt, dann bin ich geliefert. Und da J-Low genau daneben steht, ist die Sache so gut wie gelaufen.
» Ja, ich bin gerannt… und gerannt«, sage ich resignierend.
» Echt, bei welchen Events bist du denn gelaufen?«, nervt Bag mich weiter.
» Na ja, beim Vierhundert- und beim Achthundert-Meter-Rennen, und ich hab bei einem Staffellauf mitgemacht«, sprudelt es aus mir raus. Gott sei Dank hab ich mir den Sommer über sechzehn Stunden täglich die Olympischen Spiele reingezogen. Nur noch drei Minuten bis zum zweiten Klingeln, und der Name Schlappi hängt über mir wie der berühmte Amboss in den Bugs-Bunny-Cartoons.
» Ja, sie haben mich R-R-Race Car genannt, d-d-das Team«, sage ich schnell, während sie darüber nachdenken. » Versteht ihr?«, dränge ich. » Carter? Ihr wisst schon, mein Name und Race wie Rennen, also Race Car?«
» So haben sie dich genannt: Race Carter?«, fragt Doc hinter meinem Rücken.
» A-a-also, eigentlich nur Race Car. Nicht Race Carter, Race Car, wegen Car, also wegen Auto, ja. Weil ich so schnell bin und so«, stammle ich.
Ich denke, das sollte reichen. Ich hab es jetzt schon ungefähr zehn Mal erklärt. Jetzt sollte es aber hängen bleiben, oder? Ich sollte mit dem Gestottere aufhören, sonst fangen sie wieder damit an, mich C-C-Carter zu nennen.
EJ fängt nun auch noch an. Ich hatte gehofft, er würde sein Maul halten. Er weiß ganz genau, dass ich in keinem Laufteam war. Er weiß, dass ich Tag für Tag mit ihm entweder im Kino, im Freibad, auf dem Fahrrad unterwegs oder bei Bag daheim war. Vielleicht ahnt er aber auch, dass ich nicht für den Rest meines Lebens Schlappi genannt werden möchte.
» Sie haben dich Race Car genannt, ja? In dieser Laufmannschaft?«, fragt EJ.
» Klar«, antworte ich, ohne eine Miene zu verziehen. Er hat es auch gerade gesagt. Ausgleich. Zwei für Schlappi und zwei für Race Car! Es könnte jetzt jeder Name werden.
» Ich glaub, ich hab einen Freund in diesem Laufteam. Vielleicht kennst du ihn ja, er heißt Ricky. Kennst du Ricky?«, fragt er.
Manchmal springt EJ einem zur Seite, wenn man es gerade am wenigsten erwartet. » Na, klar kenn ich Ricky. Ricky ist der Beste! Er ist beim Staffellauf mit dabei«, sage ich schockiert.
» Ja, Ricky ist also der Beste im Team, nicht wahr?«, fügt EJ hinzu.
» Klar, er ist fast so schnell wie ich, das Race Car!«, sage ich lachend.
» Logo, hab alles über ihn in der Zeitung gelesen. Er ist sogar der schnellste Typ bei der Behindertenolympiade, nicht wahr?«, meint EJ nun hinterhältig.
Verdammt! Ich bin mitten in die Falle getappt.
» Nicht bei der Behindertenolympiade, Mann!«, versuche ich, das Lachen zu übertönen.
» Du und Ricky, ihr seid also echt gute Freunde?«, erkundigt Bag sich weiter.
Die Jungs lachen alle, bis die Schulglocke schließlich läutet. Als unsere Gruppe sich auflöst, wir uns gegenseitig abklatschen und uns zum Abschied gegenseitig boxen, schüttelt J-Low den Kopf und sagt: » Du bringst mich echt um, Carter«, und er
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