Ich glaube, der Fliesenleger ist tot!
wissen, dass sie immer willkommen sind. Und sie sollen gerne kommen. Und wenn die Kinder nicht kommen, dann vielleicht endlich mal wieder die alten Freunde aus Düsseldorf, für so etwas hat man ja jetzt wieder Zeit und Platz. Das eine Kinderzimmer wird in ein Gästezimmer verwandelt, das andere in ein Arbeitszimmer. Und der Garten ist ja auch so schön. Und die Immobilienpreise sind so explodiert in den letzten zehn Jahren, man bekommt heutzutage ja gar nichts mehr für sein Geld. Und irgendwann hat man ja hoffentlich auch Enkel, die brauchen Platz und freuen sich, wenn sie draußen spielen können. Und der ganze Kram, der im Keller steht, wohin soll man denn damit? Und die netten Nachbarn, die kennt man schon so lange. Und immer ein Parkplatz vor dem Haus.
Und wenn dann irgendwann auch die Enkel groß und die netten Nachbarn altersstarrsinnig geworden sind und die Freunde nicht mehr gerne weit reisen und der Garten mehr Arbeit als Freude macht und man den Führerschein abgegeben hat – wenn einem also gar kein vernünftiger Grund mehr einfällt, warum es gut und richtig ist, zu zweit oder gar allein am Stadtrand in einem voll unterkellerten, hundertsechzig Quadratmeter großen Fünfzimmerhaus mit zwei Bädern, fünfhundert Quadratmeter Garten und zwanzig Jahren Renovierungsstau zu wohnen, dann bastelt man sich eben einen. Wie zum Beispiel die alten Eltern einer Freundin. Die Freundin wollte Vater und Mutter zum Umzug in eine kleinere und günstiger gelegene Wohnung in ihrer Nähe bewegen.
Vater und Mutter: »Ach Liebling, das wäre sicher schön, aber wir haben so gute Fachärzte hier in der Gegend.«
Die allermeisten älteren Menschen, die ich kenne, verlassen ihr Eigenheim keineswegs freiwillig, um ihre Rente in einem puppenlustigen Szeneviertel ihrer Stadt auf den Kopf zu hauen. Sie bleiben, wo sie sind, bis das Alter sie zwingt, ins Pflegeheim oder auf den Friedhof zu ziehen.
Möchte ich jetzt schon wissen, wo und wie ich in dreißig Jahren leben oder sterben werde? Nein, ich möchte Mieterin bleiben.
Mein Mann ist der Eigenheimtyp.
Erstens: Mein Mann hat nicht das geringste Verständnis für meine Verarmungsangst. Vielleicht, weil er als Kind erlebt hat, dass die Welt nicht untergeht, wenn das Geld knapp wird. Sein Vater war Kaufmann. Mal lief das Geschäft besser, mal schlechter, für das Alter musste er vorsorgen. Ende der Siebzigerjahre nahmen meine Schwiegereltern einen Kredit zu variablem Zinssatz auf und kauften ein Reihenhaus. Kaum hatten sie das Haus gekauft, begann die zweite weltweite Ölkrise, da war mein Mann fünfzehn Jahre alt. Der Leitzins explodierte, die Zinslast meiner Schwiegereltern explodierte mit, für ein paar Jahre mussten sie enorme monatliche Raten stemmen.
»Das war knapp, wir mussten richtig fies die Arschbacken zusammenkneifen«, sagt mein Mann. »Geht eben auch, wenn’s sein muss.«
»Wirklich?«, frage ich schaudernd.
Mein Mann, der Ölkrisenüberlebende. Den kann so schnell nichts schocken.
Zweitens: Wenn mein Mann sich doch mal Geldsorgen macht, schreit er niemanden an.
Er sagt: »Wir müssen uns mal hinsetzen und rechnen.«
Dann setzt er sich hin und rechnet. Wenn er fertig gerechnet hat, sagt er: »Also, wir müssen echt ein bisschen aufpassen in nächster Zeit, sonst haben wir ein richtiges Problem.« Dann sagt er: »Und jetzt habe ich aber wirklich Hunger. Soll ich ein paar Nudeln machen?«
Da bin ich längst im Bad und würge.
Drittens: Mein Mann findet, dass es keine guten Gründe gegen den Erwerb eines Eigenheimes gibt.
Er sagt: »Hey, und wenn es uns dort irgendwann nicht mehr gefällt oder die Kinder aus dem Haus sind, dann verkaufen wir halt wieder und ziehen in eine zentral gelegene Dreizimmerwohnung.«
Im Unterschied zu mir glaubt er, was er sagt.
Zwei Minuten nachdem mein Mann mich über sein neuestes Lebensprojekt informiert hat, greift er zum Telefon und ruft Onkel Rolf an. Bis heute hat keiner in der Familie wirklich verstanden, womit genau Onkel Rolf sein Geld verdient.
Irgendwann wollten unsere Kinder wissen: »Warum ist Onkel Rolf so reich?«
»Weiß ich auch nicht so genau«, sagte mein Mann. »Onkel Rolf kauft Grundstücke, und dann überredet er irgendwelche Leute, ihm viel Geld zu geben, und von dem vielen Geld baut er dann Supermärkte oder Hotels oder so auf das Grundstück.«
Jedenfalls kennt sich Onkel Rolf , anders als mein Mann und ich, bestens aus mit Immobiliengeschäften und Finanzdingen. Mein Mann will ihn fragen, ob es
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