Ich glaube, der Fliesenleger ist tot!
zwischen Flur und Arbeitsbereich, an deren einer Seite der Schreibtisch steht und deren andere, dem Flur zugewandte Seite mit einer riesigen Platte aus magnetischem Eisenstahl verkleidet ist, an die wir Klassenlisten, Elternabendeinladungen, Fotos und Postkarten pinnen können; die Deckenstrahler, die Sarah ausgesucht und platziert hat und die das Hausinnere, sobald es dunkel ist, anheimelnd beleuchten – es geht auch ohne Lichtplaner; die überdachte Terrasse; der Garderobenschrank im Flur mit dem Extrafach für die Hockeyschläger meines Mannes und meiner Tochter; der Seiteneingang in den Wirtschaftsraum, den wir ständig benutzen, seit es wieder dauernd regnet – fast so gut wie eine richtige Schmutzschleuse; das kuschelige, kleine Fernsehzimmer im Obergeschoss, in dem die Kinder auf dem Sofa sitzen und glotzen können, während wir mit Freunden in der Wohnküche sitzen; das Linoleum im Erdgeschoss, das so grün ist wie der Rasen draußen vor den Fensterfronten, sodass die Grenze zwischen innen und außen zu verschwimmen scheint.
Anfang November haben meine Tochter und ich Blumenzwiebeln gekauft. Wir haben es gemacht, wie der Pflanzenhändler es uns geraten hat: Wir haben immer eine Handvoll Zwiebeln genommen, sie nacheinander auf den Rasen geschmissen und die Zwiebeln da unter die Grassoden gepflanzt, wo sie zufällig hingefallen waren. Besonders viele Zwiebeln haben wir auf dem Rasenstreifen neben dem Flur verteilt, in dem man zwischen Bücherregal und bis zum Boden reichendem Fensterglas in die Wohnküche geht. Ich stelle mir vor, wenn die Märzenbecher, die Krokusse und die Schneeglöckchen dort blühen, wird es fast so aussehen, als stünden sie bei uns im Haus. Ich freue mich riesig auf den Frühling.
Zu Beginn seines Buches Glück und Architektur beschäftigt sich der französische Philosoph Alain de Botton mit der Frage, ob der zeitliche und finanzielle Aufwand, den Menschen wie wir in ein schönes Zuhause investieren, in irgendeinem Verhältnis steht zu dem Nutzen, den es besitzt: »Die Architektur irritiert auch deshalb, weil kein Verlass auf ihre Fähigkeit ist, jenes Glück zu schaffen, mit dem sie ihren Anspruch auf unser Interesse rechtfertigt. (…) Wir können uns bedrückt fühlen, obwohl die Fliesen, auf denen wir stehen, aus einem entlegenen Steinbruch stammen oder elegant geformte Fensterrahmen in besänftigendem Grau gestrichen sind.«
Ich weiß. Auch im neuen Haus gibt es diese Tage, an denen ich mich müde, fröstelnd und grundlos niedergeschlagen fühle. Auch im neuen Haus haben mein Mann und ich uns schon in die Haare bekommen. Auch im neuen Haus türmen sich Schuhe im Eingang, und ich ärgere mich darüber. Trotzdem ist etwas anders, besser. Ich habe das Gefühl, dass das eigene bedürftige Ich in einem liebevoll eingerichteten Zuhause leichter zu ertragen ist als in einer weniger achtsam gestalteten Umgebung.
»In einem hässlichen Raum wird jeder noch so leise Verdacht betreffs eines Mangels in unserem Leben Gestalt annehmen, während ein sonnenhelles Zimmer mit honigfarbenen Sandsteinfliesen alle hoffnungsfrohen Empfindungen in uns stärkt«, meint Alain de Botton. »Der Glaube an die Bedeutung der Architektur setzt nicht nur die Annahme voraus, dass wir – ob wir wollen oder nicht – an einem anderen Ort ein anderer Mensch sind, sondern auch die Überzeugung, dass es Aufgabe der Architektur ist, uns vor Augen zu halten, wer wir im Idealfall wären.«
Ich sitze unter einer Wolldecke auf dem Sofa vor dem Kamin, in dem das allererste Mal ein Feuer flackert, und schiebe mir den Unterleib eines Marzipanweihnachtsmanns in den Mund. Auf dem fünfzig Jahre alten Sofatisch aus Teak, den meine Eltern zu ihrer Hochzeit angeschafft und uns überlassen haben, brennen Kerzen. Hinter den Fenstern ist es dunkelgrau, kalt, nass und windig, der Schneeregen ist gerade dabei, den neuen Rasen in eine Matschwüste zu verwandeln.
Ich bin allein. Ich habe überlegt, ob ich mit der Einweihung des Kamins bis abends warten soll, wenn auch mein Mann und die Kinder dabei sein können. Ich habe mich dagegen entschieden. Es ist mein Kamin, mein Traum, der wahr geworden ist, mein Augenblick. Ich will ihn allein genießen. An einem unfreundlichen Winternachmittag vor dem freundlichen Schein eines Feuers zu sitzen ist genau so, wie ich es mir vorgestellt habe. Es ist großartig. Es ist mehr als großartig. Es ist: mein Zuhause. Ich denke: All die Mühe, sie hat sich gelohnt.
Ich starre wie hypnotisiert in
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