Ich hab dich im Gefühl
in denen alles durcheinander ist, füllen all die anderen Dinge meine Gedanken vollkommen aus, zusammen mit diesem Mann, der mir nicht aus dem Kopf geht, der aber nicht Conor ist, wie man doch eigentlich erwarten müsste, nicht die Liebe meines Lebens, von der ich mich gerade getrennt habe. Nein, ich denke an einen Amerikaner, den ich nicht mal kenne.«
Meine Freundinnen sehen mich an, die Augen voller Tränen, das Gesicht eine Mischung aus Sympathie, Sorge und Verwirrung.
Ich erwarte nicht, dass sie etwas zu meinem seltsamen Lagebericht sagen – wahrscheinlich denken sie einfach, dass ich übergeschnappt bin –, deshalb sehe ich wieder eine Weile zu den turnenden Kids und beobachte, wie Eric auf den Schwebebalken klettert. Der Lehrer ruft ihm zu, er solle Flugzeugarme machen. Erics Gesicht ist ein Inbild nervöser Konzentration, während er langsamer wird und die Arme seitlich ausstreckt. Der Lehrer ermutigt ihn, und ein vorsichtiges stolzes Lächeln erscheint auf den Lippen des Jungen. Einen Moment sieht er zu seiner Mutter hinüber, ob sie ihm auch brav zuschaut, und in diesem Augenblick verliert er das Gleichgewicht, fällt und landet ungeschickt auf dem Hinterteil, den Balken zwischen den Beinen, das Gesicht eine Maske des Entsetzens. Frankie schnaubt. Eric heult. Kate rennt zu ihrem Sohn. Sam produziert unermüdlich Spuckeblasen. Ich verlasse eilig die Turnhalle.
Sechzehn
Auf dem Heimweg zu Dad versuche ich, im Vorbeifahren nicht zu meinem Haus hinüberzusehen. Aber meine Augen verlieren den Kampf mit meinen Gedanken, und ich sehe, dass Conors Auto am Straßenrand steht. Seit unserem letzten gemeinsamen Essen im Restaurant haben wir ein paar Mal miteinander gesprochen, unterschiedlich freundlich, das letzte Mal eher am unteren Rand der Skala. Der erste Anruf kam spät an dem Abend nach dem Restaurantbesuch – Conor wollte nachfragen, ob ich wirklich glaube, dass wir das Richtige machen. Seine verschwommene, sanfte Stimme klang mir ins Ohr, während ich auf dem Bett im Kabuff meiner Kindheit lag und an die Decke starrte, genau wie in unserer Anfangszeit, in der wir regelmäßig ganze Nächte miteinander telefonierten. Da war ich nun mit meinen dreiunddreißig Jahren nach einer gescheiterten Ehe bei meinem Vater untergeschlüpft, und am anderen Ende der Leitung befand sich mein ähnlich verunsicherter Mann … Es wäre so leicht gewesen, sich in diesem Moment an die schönen Zeiten unseres gemeinsamen Lebens zu erinnern und vor der Entscheidung zurückzuweichen. Aber meistens sind leichte Entscheidungen die falschen, und manchmal haben wir das Gefühl zurückzugehen, obwohl wir uns eigentlich nach vorn bewegen.
Der nächste Anruf war schon ein bisschen härter – verlegen und entschuldigend erwähnte er die uns bevorstehenden juristischen Schritte. Darauf folgte eine frustrierte Nachfrage, warum mein Anwalt noch nicht auf das Schreiben seines Anwalts geantwortet hatte. Beim nächsten Mal erzählte er mir dann, dass seine seit kurzem schwangere Schwester gern das Kinderbettchen haben wollte, was mich, nachdem wir aufgelegt hatten, so in eifersüchtige Wut versetzte, dass ich das Telefon schwungvoll in den Mülleimer beförderte. Beim letzten Mal teilte Conor mir dann mit, dass er alles eingepackt hatte und in ein paar Tagen nach Japan fliegen würde. Und ob er die Espressomaschine haben könnte.
Aber wenn ich auflegte, hatte ich immer das Gefühl, dass mein schwächliches Lebewohl kein echtes Lebewohl war, sondern mehr ein »bis bald«. Das Hintertürchen war noch offen, wir konnten unsere Trennung jederzeit wieder rückgängig machen – Conor war noch eine Weile in der Nähe, wir hatten noch nichts endgültig entschieden.
Aber jetzt halte ich an und starre zu dem Haus hinauf, in dem wir fast zehn Jahre gewohnt haben. Hat es nicht mehr verdient als ein paar halbherzige Abschiedsworte?
Ich klingle, aber niemand kommt. Durch das Türfenster kann ich die Kisten sehen, die nackten Wände, die leeren Oberflächen, alles bereit für die nächste Familie, die hier einziehen möchte. Ich stecke den Schlüssel ins Schlüsselloch und gehe hinein, möglichst geräuschvoll, damit Conor mich hört, falls er noch da ist. Gerade will ich seinen Namen rufen, als ich von oben leise Musik höre. Langsam gehe ich hinauf in das halb fertige Kinderzimmer und finde dort Conor, der tränenüberströmt auf dem Teppich kauert und die Maus beobachtet, die dem Käse nachläuft. Ich durchquere das Zimmer, gehe zu ihm und
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