Ich hab dich im Gefühl
Wir haben eine
Viking Splash Tour
gemacht, Dad und ich. Der Bus fährt sogar durchs Wasser. Man hat Helme mit Hörnern auf und brüllt, um die Leute zu erschrecken.« Zur Veranschaulichung beuge ich mich dicht zu ihnen und schwenke mit finsterer Miene die Faust vor ihrer Nase.
Aber meine Freundinnen starren mich nur mit leeren Gesichtern an.
Seufzend lasse ich mich wieder auf die Bank sinken. »Auf jeden Fall sehe ich ihn dauernd.«
»Okay«, sagt Kate langsam und wirft Frankie einen fragenden Blick zu.
Unbehagliches Schweigen tritt ein – wahrscheinlich machen sie sich Sorgen über meinen Geisteszustand. Mir geht es ja selbst nicht anders.
Schließlich räuspert sich Frankie und sagt: »Dieser Mann, Joyce – ist er jung, alt oder womöglich ein Wikinger aus deinem Zauberbus, der durchs Wasser fährt?«
»Ende dreißig, Anfang vierzig. Amerikaner. Wir waren zusammen beim Friseur. Da habe ich ihn zum ersten Mal gesehen.«
»Deine Haare sind übrigens toll«, sagt Kate und befühlt vorsichtig ein paar kurze Strähnen.
»Dad findet, ich sehe aus wie Peter Pan«, erzähle ich grinsend.
»Dann erinnert sich der Mann vielleicht vom Friseur an dich«, meint Frankie.
»Aber da hat es sich auch schon so komisch angefühlt. Als würde ich ihn kennen oder so.«
Frankie lächelt. »Willkommen in der Welt der Singles.« Sie wendet sich an Kate, die eine ablehnende Grimasse schneidet. »Wann hat Joyce sich das letzte Mal einen kleinen Flirt gestattet? Sie ist doch schon eine Ewigkeit verheiratet.«
»Also bitte«, entgegnet Kate von oben herab. »Wenn du meinst, dass das aufhört, wenn man verheiratet ist, dann hast du dich aber gründlich geirrt. Kein Wunder, wenn du Angst vor der Ehe hast.«
»Ich habe keine Angst, es bekommt mir nur nicht. Weißt du, grade heute habe ich so eine Schminksendung angeschaut …«
»Ach, da geht es wieder los.«
»Halt den Mund und hör zu. Jedenfalls hat die Make-up-Expertin gesagt, weil die Haut um die Augen so empfindlich ist, muss man die Creme dort mit dem
Ring
finger auftragen, weil der
am wenigsten Kraft
besitzt.«
»Wow«, erwidert Kate trocken. »Damit hast du uns Verheiratete jetzt endgültig als Idioten entlarvt.«
Ich reibe mir die Augen. »Ich weiß, das klingt bescheuert, ich bin müde und wahrscheinlich bilde ich mir alles nur ein. Eigentlich sollte ich doch Conor im Kopf haben, aber ich denke kaum an ihn. So gar nicht. Keine Ahnung, ob das eine verzögerte Reaktion ist und ich nächsten Monat zusammenbreche, anfange zu trinken und jeden Tag in Schwarz rumlaufe …«
»Wie Frankie«, wirft Kate ein.
»Aber im Moment fühle ich mich bloß erleichtert«, fahre ich fort. »Ist das nicht schrecklich?«
»Ist es okay, wenn ich mich auch erleichtert fühle?«, fragt Kate.
»Fandest du Conor blöd?«
»Nein. Er war in Ordnung. Er war nett. Ich fand es nur blöd, dass du nicht glücklich warst.«
»Ich fand ihn aber blöd!«, mischt Frankie sich ein.
»Wir haben gestern kurz gesprochen«, berichte ich. »Es war ganz seltsam. Er wollte wissen, ob er die Espressomaschine haben kann.«
»Der Arsch«, schimpft Frankie.
»Mir liegt nichts an der Espressomaschine, die kann er gerne haben.«
»Das sind Psychospielchen, Joyce, sei bloß vorsichtig! Erst ist es die Espressomaschine, dann kommt das Haus, und schließlich will er deine Seele. Und irgendwann behauptet er dann, dass du den Smaragdring gestohlen hast, der seiner Großmutter gehört hat, obwohl du dich genau daran erinnerst, dass er dir gesagt hat, du kannst ihn haben, als du das erste Mal bei ihm zu Hause zum Essen warst.« Sie macht ein finsteres Gesicht.
Ich sehe hilfesuchend zu Kate.
»Das ist ihr bei der Trennung von Lee passiert.«
»Ah. Na ja, es wird bestimmt nicht wie bei deiner Trennung von Lee.«
Frankie grummelt.
»Christian ist gestern Abend mit Conor ein Bier trinken gegangen«, erzählt Kate. »Ich hoffe, das stört dich nicht.«
»Natürlich nicht. Die beiden sind befreundet. Geht es ihm einigermaßen?«
»Ja, anscheinend schon. Er ist traurig wegen dem … du weißt schon …«
»Wegen dem Baby. Du kannst das Wort ruhig in den Mund nehmen, das halte ich schon aus.«
»Er ist traurig wegen dem Baby und enttäuscht, dass eure Ehe nicht funktioniert hat, aber er glaubt, dass die Trennung das Richtige ist. In ein paar Tagen fliegt er wieder nach Japan. Er hat auch erzählt, dass ihr das Haus verkaufen wollt.«
»Ich möchte da nicht bleiben, und wir haben es zusammen gekauft, also
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