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Ich hab dich im Gefühl

Ich hab dich im Gefühl

Titel: Ich hab dich im Gefühl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cecelia Ahern
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ich jemanden für dich anrufen oder …?«
    »Nein, nein, mir geht’s gut. Alles okay.« Die Worte bleiben mir im Hals stecken. »Gute Nacht.«
    Dann ist er weg.
    Eine einzelne Träne rollt mir über die Wange, und ich wische sie weg, ehe sie mein Kinn erreicht. Fang nicht an, Joyce. Wag es nicht, jetzt anzufangen.

Siebzehn
    Als ich am folgenden Morgen nach unten gehe, ertappe ich Dad dabei, wie er Mums Foto gerade wieder auf den Tisch in der Diele stellt. Im letzten Moment hört er mich kommen, holt schnell sein Taschentuch aus der Hosentasche und tut so, als würde er den Rahmen abstauben.
    »Ah, da ist sie ja. Von den Toten auferstanden.«
    »Na ja, ich war fast die ganze Nacht wach, weil alle fünfzehn Minuten die Klospülung gerauscht hat.« Ich küsse meinen Vater auf seinen fast kahlen Kopf und gehe in die Küche. Wieder steigt mir der seltsame Geruch in die Nase.
    »Es tut mir wirklich leid, dass
meine
Prostata
deinen
Schlaf beeinträchtigt.« Er mustert mein Gesicht. »Was ist denn mit deinen Augen los?«
    »Meine Ehe ist vorbei, deshalb habe ich beschlossen, die Nacht mit Heulen zu verbringen«, antworte ich trocken, Hände in die Hüften gestemmt, und schnuppere weiter.
    Er wird ein bisschen weicher, streut aber trotzdem Salz in meine Wunde: »Ich dachte, du wolltest es so.«
    »Ja, Dad, du hast vollkommen recht, die letzten Wochen waren traumhaft.«
    Er geht zum Küchentisch, rauf, runter, runter, rauf, setzt sich an seinen üblichen Platz, auf den die Sonne fällt, setzt die Brille auf die Nasenwurzel und macht sich an sein Sudoku. Ich sehe ihm eine Weile zu, fasziniert von seiner Schlichtheit, und setze dann meine Schnüffelei fort.
    »Hast du schon wieder deinen Toast anbrennen lassen?« Er hört mich nicht und kritzelt unbeirrt weiter. Ich untersuche den Toaster. »Er ist richtig eingestellt, ich verstehe nicht, warum dir dauernd was anbrennt.« Ich inspiziere das Innere des Geräts. Keine Krümel. Ich sehe im Mülleimer nach. Kein weggeworfener Toast. Wieder schnuppere ich, werde immer argwöhnischer und beobachte Dad verstohlen aus dem Augenwinkel. Er zappelt herum.
    »Du bist wie diese Fletcher oder dieser
Monk
, die schnüffeln auch ständig überall rum. Aber du kannst damit aufhören, hier findest du keine Leiche«, sagt er, ohne von seinem Rätsel aufzublicken.
    »Ja, aber ich finde
irgendwas
, oder?«
    Ruckartig hebt er den Kopf. Schnell. Offensichtlich nervös. Aha. Ich kneife die Augen zusammen.
    »Was ist denn los mit dir?«
    Ich ignoriere ihn, renne kreuz und quer in der Küche herum, öffne Schränke, spähe hinein, suche.
    Mit besorgtem Gesicht fragt Dad: »Hast du den Verstand verloren? Was machst du denn da?«
    »Hast du deine Tabletten genommen?«, frage ich, als ich zum Arzneischränkchen komme.
    »Welche Tabletten?«
    Wenn er mir so antwortet, ist garantiert etwas im Argen.
    »Deine Herzpillen, deine Gedächtnispillen, deine Vitaminpillen.«
    »Nein, nein und …« Er denkt eine Weile nach. »Und nein.«
    Ich bringe sie ihm und stelle sie in Reih und Glied vor ihn auf den Tisch. Er entspannt sich ein wenig. Dann mache ich weiter mit meiner Schrankdurchsuchung und spüre, wie er wieder nervös wird. Ich will die Schranktür öffnen, hinter der das Müsli steht …
    »Wasser!«, ruft er, ich fahre hoch und knalle die Tür wieder zu.
    »Alles in Ordnung mit dir?«
    »Ja«, sagt er ruhig. »Ich brauche bloß ein Glas Wasser für meine Pillen. Gläser sind in dem Schrank da drüben.« Er deutet zum anderen Ende der Küche.
    Argwöhnisch fülle ich ein Glas mit Wasser und bringe es ihm. Dann gehe ich zurück zum Müslifach.
    »Tee!«, schreit Dad. »Komm, wir trinken ein Tässchen Tee. Setz dich hin, ich mach ihn schon. Du hast so viel durchgemacht und dich so großartig gehalten. So tapfer warst du. Wie ein kleiner Zinnsoldat. Also mach’s dir gemütlich, ich koch uns ein Tässchen. Und dazu gibt’s ein Stückchen Kuchen. Battenburg – den mochtest du schon als kleines Kind. Hast immer versucht, das Marzipan abzupopeln, wenn grade keiner hingeschaut hat, kleiner Gierkopp, der du warst.« Erneut versucht er mich wegzulocken.
    »Dad!«, sage ich warnend.
    Er hört auf rumzuhampeln und seufzt.
    Ich mache die Schranktür auf und schaue hinein. Nichts Ungewöhnliches, nichts, was fehl am Platz wirkt, nur der Porridge, den ich morgens immer esse, und die Sugar Puffs, die ich nie anfasse. Dad sieht zufrieden aus, gibt eine Art Räuspern von sich und geht zurück zum Tisch. Moment mal.

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