Ich habe einen Namen: Roman
kann, wessen Hände sie und
ihren Körper für sich beanspruchen.
Viel Schönheit ist mir
nicht geblieben. Da ist nichts mehr von den runden, sich wölbenden
Hinterbacken, die in England, dem Land der flachen Hinterteile, so ungewöhnlich
sind. Nichts mehr von den starken, strammen Schenkeln und den Waden, rund und
fest wie reife Äpfel. Meine Brüste hängen nach unten, während sie einst doch
wie stolze Vögel in die Höhe strebten. Aber ich habe noch alle Zähne, bis auf
einen, und säubere sie jeden Tag. Für mich ist eine saubere, weiß schimmernde
volle Zahnreihe etwas Schönes, und sie mir drei-, viermal am Tag gründlich mit
einem Zweig zu putzen, erhält sie mir so. Ich weiß nicht, warum, aber die glühendsten
Abolitionisten scheinen den schlimmsten Mundgeruch zu haben. Einige Männer aus
meiner Heimat kauen so oft Kolanüsse, dass sie ganz orangefarbene Zähne haben.
Die Abolitionisten übertreffen sie jedoch noch mit ihrem Kaffee, Tee und Tabak.
Mein Haar ist zum
größten Teil ausgefallen, und die verbliebenen Strähnen sind grau, aber immer
noch gelockt und liegen mir dicht am Kopf. Ich tu nicht groß damit herum. Die
East India Company importiert leuchtend bunte Seidenschals nach London, und für
die gebe ich hin und wieder gern ein paar Schillinge aus. Einen davon binde ich
mir immer um, wenn ich geholt werde, um die Abolitionistenbewegung zu
schmücken. Direkt über meiner rechten Brust sind die Initialen GO zu lesen, in einem kleinen, etwa einen
Zoll weiten Kreis. Ja, ich trage ein Brandzeichen und kann nichts tun, um mich
von der Narbe zu befreien. Seit meinem elften Lebensjahr trage ich dieses
Zeichen, habe aber erst kürzlich erfahren, wofür die Initialen eigentlich
stehen. Wenigstens kann sie keiner sehen. Da gefallen mir die beiden hübschen
Mondsicheln, zwei zarte, schmale Sicheln, auf meinen Wangenknochen schon
besser. Ich habe diese Schönheitsmale immer geliebt, auch wenn die Londoner sie
staunend anstarren.
Ich war groß für mein
Alter, als ich entführt wurde, habe dann aber aufgehört zu wachsen und bin
deshalb nur ein Meter siebenundfünfzig groß, wobei ich, um die Wahrheit zu
sagen, auch die nicht mehr ganz erreiche. Ich lehne leicht zu einer Seite und
bevorzuge mein rechtes Bein. Meine Zehennägel sind gelb, dick und verkrustet
und lassen sich kaum mehr schneiden, und meine Zehen stehen leicht in die Höhe,
statt sich flach auf den Boden zu legen. Aber das macht nichts, schließlich
habe ich Schuhe, und keiner verlangt von mir, dass ich renne oder größere Strecken
zurücklege.
Meine liebsten Dinge
habe ich gerne nahe bei meinem Bett. Dazu gehört ein blauer Glastiegel mit
Hautcreme. Abends reibe ich mir die fahlen Ellbogen und Knie damit ein. Nach
dem Leben, das ich gelebt habe, kommt mir die weiße Masse wie ein magischer
Luxus vor. Reib dich ganz mit mir ein , scheint sie mir zu sagen, und ich gewähre dir und deinen Falten noch ein, zwei Tage .
Die Hände sind das
Einzige an mir, worauf ich noch stolz bin. Sie allein lassen meine frühere
Schönheit erahnen, sind schlank, dunkel und glatt, trotz allem, und die Nägel
sind hübsch eingefasst, immer noch rund und schimmern rosa. Ich habe wundersam
schöne Hände und lege sie gern auf Dinge, die ich mag, Baumrinde oder das Haar
von Kindern, und bevor meine Zeit abläuft, würde es mir gefallen, sie auch noch
einmal auf den Körper eines guten Mannes zu legen, so sich die Gelegenheit dazu
bietet. Aber nichts, weder ein Männerkörper noch ein guter Schluck Whiskey oder
ein pfefferiger Hammeleintopf aus der alten Heimat, würde mir so eine Freude
bereiten, wie ein Baby in meinem Bett atmen zu hören, einen Enkel, der sich an
mich kuschelt. Manchmal wache ich morgens auf und die Sonne scheint in mein
kleines Zimmer. Der einzige Wunsch, der mich dann erfüllt, neben dem Bedürfnis
nach dem Nachttopf und einer Tasse Tee mit Honig, besteht darin, mich
zurücklegen zu können und ein Kind im Arm zu haben. Die Stimme eines kleinen
Kindes anschwellen und versiegen zu hören. Die Magie zu spüren, wenn sich die
winzige Hand, ohne recht zu wissen, was sie tut, auf meine Schulter oder mein
Gesicht legt.
Heute nähren mich die
Männer, die den Sklavenhandel beenden wollen. Sie haben mich mit genug Kleidern
versorgt, um die klamme Nässe Londons abzuwehren. Ich schlafe in einem so
bequemen Bett, wie ich es seit meiner frühen Kindheit nicht hatte, als mich
meine Eltern so viel weiches Gras, wie ich nur wollte, unter die gewebte
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