Ich habe Jakobs Arsch geküsst: Von Pilgern und Bettwanzen: 800 Kilometer unterwegs auf dem Jakobsweg
die meisten Klamotten, aus denen ich den Duft aus 40 Tagen Staub, Schweiß und Handwäsche sicher ebenso wenig jemals wieder herauskriege, wie die ursprüngliche Form wieder rein - nach 40 Tagen auswringen per Hand sieht alles aus wie ein Sack.
Melide erweist sich als graue, kühle und ungemütliche Kleinstadt. Das Hotel ist viertklassig, der nächtliche Krach in den Nachbarzimmern eine wahre Pracht. Der Laden wird an diesem Samstagabend offensichtlich als Stundenhotel passend zur Disco in der Stadthalle genutzt. Türenschlagen, lautes Flüstern, Gekicher und Gejohle erinnern uns daran, dass es Spaniern so unendlich schwer fällt, leise zu sein.
Schon nachmittags im Café haben wir im Zusammenhang mit fehlender Geräuschkulisse ein außergewöhnliches Erlebnis: Wir betreten das fast leere Café und setzen uns zu viert an einen Tisch. Wir unterhalten uns in normaler Lautstärke, warten auf eine der Damen am Tresen, die dort vor sich hin wursteln. Aber lange passiert nichts. Zu lange. Wir bleiben unbedient. Erst als Beate durch Winken auf uns aufmerksam macht, blickt uns eine der Frauen wie versteinert und völlig verblüfft an. Die hatten uns vier Deutsche gar nicht bemerkt! Sie hatten uns über ein paar Meter hinweg schlicht übersehen undüberhört. Vier Leute, die keinen Krach machen… Das Gegenteil erleben wir im Hotel: Nur vier Spanier betreten hinter uns das Foyer und man versteht plötzlich sein eigenes Wort nicht mehr.
Und der unsaubere Geist riß ihn und schrie laut und fuhr aus von ihm. Markus 1.26
40. Tag von Melide nach Arzua
Endlich wieder Sonne - und nichts wie weg aus dem für uns unangenehmen Melide. Zwar ist heute zwischen den galicischen Hügeln der Wind noch kalt, aber unter blauem Himmel ist es ab nachmittags herrlich warm und einfach viel freundlicher. Heute, im netten Örtchen Arzua, haben wir nach gemütlichen 14 Kilometern Tagespensum ein schöneres Hostal. Alles neu, sauber und schön. Mittags gibt es erstmal ein Einlaufbier auf der Plaza. Es ist Sonntag, und alle Spanier sind natürlich auf Achse.
Wieder gibt es unglaubliche Geschichten zu hören, die der Jakobsweg schreibt. Eine bayerische Mitpilgerin berichtet von ihrem Mitpilger Hermann aus Hamburg. Den hat sie gestern freundlich aber bestimmt in die Wüste geschickt. Er wurde ihr, sagen wir mal, zu anhänglich. Die 28-Jährige war allein gestartet - mit dem Urlaub von zwei Jahrenvor und nach einer harten beruflichen Phase hinter sich. Den normalen Job und die Weiterbildung zu einer höheren Laufbahn hatten ihre vergangenen zwölf Monate bestimmt. Nun läuft sie sich den Stress aus dem Körper und wartet täglich auf das Ergebnis ihrer Prüfung. Der Mittfünfziger Hermann hatte sich irgendwann vor ein paar Tagen an sie gehängt und suchte wohl mütterlichen Anschluss. Er war nämlich eigentlich mit seiner Frau gestartet, die aber nun weit vor ihm unterwegs ist. Also versuchte er, bei der jüngeren Mitpilgerin die Bequemlichkeiten seines gewohnten Alltags zu finden: Mama plant alles, Mama ist immer da. Als die zwei dann vorgestern auch noch mangels weiterer Betten in der Herberge ihrer Wahl in einem gemeinsamen Doppelzimmer unterkommen, reicht es der Bayerin, und sie kündigt freundlich aber bestimmt die Pilgergemeinschaft auf. Schluss mit Hotel Mama für den bequemen Ehekrüppel!
Abends gehen wir vier in eine der berühmtesten „Pulperias“ Galiciens - so wird es jedenfalls angekündigt. Hier steht „Pulpo“, also gekochter Tintenfisch, ganz oben auf der Spezialitätenliste. Das Essen wird zu einem wirklich schrägen Erlebnis. Der Gastraum ist sehr einfach und rustikal eingerichtet und erinnert mit Bierbänken und groben Tischen an eine Brauereischänke. Stefan bestellt als Einziger den Tintenfisch. Mich kann man mit diesem komischen Viehzeug namens „Meeresfrüchte“ um den Block jagen. Selbst Beate,die sonst auch schon mal exotisches Kleingetier isst, verzichtet auf die rosa-weißen Gummitiere, die frisch aus dem Kochtopf mit der Schere in Stückchen geschnitten werden. Na gut, wer´s mag.
Als wir anderen unser Essen von der Menükarte bestellen, stellt sich erstmal raus, dass es einen Teil der angebotenen Gerichte gar nicht gibt. O.k., bestellen wir halt das, was es gibt. Wir sind ja schließlich in Spanien. Gang für Gang müssen wir dann auf dem Tisch unsere Teller stapeln, denn es wird nichts abgeräumt. Obwohl kaum die Hälfte der Pulperia-Tische besetzt ist, scheinen die Kellner bereits am frühen Abend jeden
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