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Ich hasse dich - verlass mich nicht

Ich hasse dich - verlass mich nicht

Titel: Ich hasse dich - verlass mich nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Kreisman
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Neigung, mit anderen zu verschmelzen, zu überwinden. Biologisch betrachtet ähnelt dies dem Fortschritt von einer parasitären Lebensform zu einem Zustand der Symbiose und sogar zur Unabhängigkeit. Symbiose und Unabhängigkeit können erschreckend sein, und die meisten Borderline-Persönlichkeiten haben das Gefühl, dass es den ersten Laufversuchen ähnelt, wenn man sich auf sich selbst verlässt.
    In der Biologie hängt die Existenz des Parasiten ganz und gar vom Gastgeberorganismus ab. Wenn die parasitäre Zecke bei einem Hund zu viel Blut saugt, stirbt der Hund und damit auch die Zecke. Menschliche Beziehungen funktionieren am besten, wenn sie weniger parasitär, dafür aber symbiotischer sind. In der Symbiose gedeihen zwei Organismen besser zusammen, können aber auch unabhängig voneinander bestehen. So hilft beispielsweise Moos, das an der Seite eines Baumes wächst, dem Baum, indem es direktes Sonnenlicht abhält. Und es hilft sich selbst, da es Zugang zum großen Grundwasserreservoir des Baums hat. Wenn das Moos oder der Baum abstirbt, kann der jeweils andere überleben, wenn auch nicht so gut. Die Borderline-Persönlichkeit funktioniert manchmal wie ein Parasit. Ihre fordernde Abhängigkeit kann schließlich den Menschen, an den sie sich so stark klammert, ersticken. Wenn dieser Mensch geht, wird die Borderline-Persönlichkeit möglicherweise zerstört. Wenn sie lernt, gemeinschaftlichere Beziehungen mit anderen herzustellen, können alle zufriedener miteinander leben.
    Elisabeth lernte durch die Beziehung zu ihrem Psychiater, auch mit anderen sorgenfreier umzugehen. Nachdem sie monatelang seine Loyalität getestet hatte, indem sie ihn beschimpfte und kritisierte und damit drohte, die Therapie zu beenden, fing Elisabeth an, ihm zu vertrauen. Sie begann, seine Fehler zu akzeptieren, statt sie als Beweis dafür zu sehen, dass er schließlich ihr gegenüber versagen würde. Nach einiger Zeit übertrug Elisabeth das sich entwickelnde Vertrauen zwischen sich und ihrem Therapeut auf andere Menschen in ihrem Leben. Sie begann, sich selbst zu akzeptieren, mit all ihren Mängeln, genau wie sie jetzt auch andere akzeptierte.
    Mit der Verbesserung ihres Zustands wuchs auch ihr Vertrauen, dass sie ihren »inneren Kern« nicht mehr verlieren würde. Früher fühlte sie sich in einer Gruppe Menschen unwohl, fühlte sich gehemmt und fehl am Platze. Jetzt dagegen konnte sie sich in der Gesellschaft anderer wohlfühlen, sie ließ die anderen die Verantwortung für sich selbst übernehmen, während sie die Verantwortung für sich übernahm. Wo sie sich früher gezwungen fühlte, eine Rolle anzunehmen, um sich einer Gruppe anzupassen, konnte sie jetzt an ihrem konstanteren, unveränderlichen Selbstgefühl festhalten. Sie musste nicht mehr wie ein Chamäleon ständig die Farbe wechseln. Die Begründung einer konstanten Identität bedeutet die Entwicklung der Fähigkeit, auf eigenen Füßen zu stehen, ohne sich auf einen anderen verlassen zu müssen. Es bedeutet, dem eigenen Urteil und den eigenen Instinkten zu vertrauen und dementsprechend zu handeln, statt auf das Feedback der anderen zu warten und darauf zu reagieren.
    Beziehungen aufbauen
    Indem die Borderline-Persönlichkeit sich ein bestimmtes inneres Identitätsgefühl bildet, grenzt sie sich von anderen ab. Veränderung erfordert, dass man andere als unabhängige Menschen anerkennt und Mitgefühl zeigt, indem man ihre Kämpfe versteht. Ihre Fehler und Unvollkommenheiten müssen nicht nur anerkannt werden, sondern auch von der Borderline-Persönlichkeit als Teil des Prozesses der Mentalisierung (siehe Kapitel 8) als getrennt wahrgenommen werden. Wenn diese Aufgabe misslingt, geraten Beziehungen ins Straucheln.
    Prinzessin Diana trauerte dem Verlust ihrer Fantasievorstellung von einer Märchenehe mit Prinz Charles nach: »Ich hatte als junges Mädchen so viele Träume, hatte gehofft, dass sich mein Mann um mich kümmert, mich wie eine Vaterfigur unterstützt, anerkennt und würdigt. Doch ich habe nichts davon bekommen. Ich konnte es nicht glauben. Ich bekam rein gar nichts. Es war ein Rollentausch.« 149
    Die Borderline-Persönlichkeit muss lernen, die positiven und negativen Aspekte anderer Menschen zu integrieren. Wenn sie einem anderen Menschen nahekommen will, muss sie lernen, so unabhängig zu sein, dass sie auf behagliche, nicht verzweifelte Weise abhängig sein kann. Sie lernt, symbiotisch zu leben, nicht parasitär. Die gesundende Borderline-Persönlichkeit

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