Ich kenne dich
Bett oder stapeln sie auf dem Boden, und graben alles hervor.
Hier ist einer von Chloes Fäustlingen. Hier ist ihr Hausaufgabenheft, gefüllt mit ihrer runden, engen Schrift. Ein rosa Döschen Lippenbalsam mit Himbeer-Vanille-Geschmack. Ein baumelnder Zirkon-Anhänger. Ich war gar nicht so schlecht im Stehlen, wie Emma und Chloe immer dachten. Emma betrachtet die Objekte, sammelt sie auf einem Stapel zwischen ihren gekreuzten Beinen, als ich sie ihr gebe. Schließlich muss ich aufstehen und einen Schuhkarton für sie suchen.
»Das ist ja eine ganze Menge«, sagt sie.
»Sie hat früher oft bei mir übernachtet«, erwidere ich. »Sie hat den halben Sommer bei uns im Haus verbracht. Und die andere Hälfte war ich bei ihr. Ich wette, bei ihr lagen auch noch jede Menge Sachen von mir herum.«
Ich denke an diese verlorenen Gegenstände. Ich versuche sie zu zählen, die Ersatzso cken und dagelassenen Zeitschriften aufzulisten. Die Notizbücher und Stifte mit Plastikaufsätzen in der Form von Katzen. Ich frage mich, ob Amanda ihre Sachen aufbewahrt hat.
»Los«, sagt Emma und streckt mir einen Stapel gefaltete T-Shirts entgegen. »Leg die hier vorerst aufs Bett. Wir können nachher wieder alles einräumen.«
Hier ist ein Umschlag, vollgestopft mit Zeitungsausschnitten. Ich stecke den Finger unter die Lasche, aber Emma schüttelt den Kopf und hebt die Hand hoch.
»Du hast sie bereits alle gelesen«, sagt sie.
Mehr. Da ist der Gürtel von ihrem Morgenmantel. Ein Stapel alte Kassetten, ein Kopfhörer. Ich weiß, ich werde zu ihrem Handy vordringen, aber selbst als meine Hand darüberstreift und ich die gerissene schwarze Plastikschale sehe, bin ich geschockt. Für Emma ist es nur ein kaputtes Gerät. Es ist nichts. Es hat keinen Wert, ist nicht gefährlich, unbedeutend. Ich gebe es ihr, meine Stimme darin gefangen. Es wandert in den Schuhkarton.
»Da kann nicht mehr viel sein«, sagt sie.
Ich gebe ihr ein Foto von Chloe, das ich für Carl gemacht und selber behalten habe. Sie starrt darauf, ohne rot zu werden.
»Seine Mutter muss es gewusst haben«, sagt sie und betrachtet Chloe, die sich in ihrer Unterwäsche über das Bett lehnt.
»Seine an den Rollstuhl gefesselte Mutter, die Carl, trotz seines Vollzeitjobs, jeden Sonntag zum Supermarkt fuhr, so sicher wie das Amen in der Kirche.« Ich zitiere Terry, aber Emma weiß das nicht und sieht mich mit einem sonderbaren Gesichtsausdruck an. Sie starrt auf das Polaroid. Chloes Gesicht ist ein verblichenes Oval – ihre Gesichtszüge sind undefinierbar, abgesehen von dem knalligen Lippenstiftstrich in Mundhöhe.
»Sie muss seine Sachen durchgesehen haben. Sie hat solche Fotos gefunden. Von Chloe. Ein paar von mir. Gott weiß, von wem sonst noch.«
»Sie wird sie weggeworfen haben«, sage ich, und Emma nickt.
»Das hättest du auch tun sollen. Sie alle wegwerfen. Sie sind ekelhaft.« Sie zerreißt das Foto in zwei Teile. »Ich will nicht, dass jemand jemals davon erfährt«, sagt sie. »Es ist schlimm genug, darüber nachdenken zu müssen.« Sie streckt die Hand aus und streicht über den Teppich neben sich. Es ist eine unbewusste Bewegung, und ich frage mich, ob sie an ihre Hunde denkt, daran, die Hände in ihrem groben Nackenfell zu vergraben.
»Ich werde kein Wort darüber verlieren«, sage ich rasch. »Du kannst mir da vertrauen. Ich bin deine Freundin.«
Emma schnaubt, gibt aber keine Antwort, während ich den allerletzten Gegenstand herausnehme, etwas, das ich in der Tasche einer schwarzen Schuljacke gefunden habe, einer Jacke, die so tat, als wäre sie ein Weihnachtsgeschenk, vor langer Zeit. Ich halte es in den Händen. Es ist ziemlich klein. Hätte gefährlich sein können. Ein Feuerzeug mit einer Frau im Bikini darauf. Als es noch neu war, schnippte man daran, um die Flamme zu entzünden, und der Bikini verschwand. Ein kleiner Gag. Anzüglich und harmlos. Jetzt hat die Hülle einen grünlichen Stich, und das Gas in der Kammer ist längst aufgebraucht. Ich halte es eine Sekunde zwischen meinen Handflächen und spüre die kalte Metallspitze an der Haut zwischen Daumen und Zeigefinger.
Ich erinnere mich an dieses Feuerzeug.
Ich erinnere mich.
Emma nimmt es mir aus der Hand. »Gehörte das Chloe?«, fragt sie und runzelt die Stirn. Sie testet das Rädchen ein paarmal mit dem Daumen. Man hört ein kratzendes Geräusch, aber es gibt keinen Funken. Der Feuerstein ist weg. Das Gefühl in ihrer Hand erinnert sie, glaube ich, daran, dass sie rauchen möchte, und sie
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