Ich lege Rosen auf mein Grab
aufm Kieker hatte.»
«Mich!» schnaufte Manitou, hörbar angstneurotisch. «Mich wollte der doch abknallen, mich, und hat dann meinen lieben Barry erwischt!» Jetzt schluchzte er. «Ein versoffener Weißer, der uns unser Land abnehmen will.»
«Schick mir alles her, was ihr habt.»
«Morgen geht’s nach München. Äih, du, das…!»
«Dann schick mir die Sachen von München aus nach Bramme!» Manitou rülpste riesige Mengen Luft aus dem Magen heraus und verkündete dann: «Du, ich liebe einen Bayern, und der hat Hakenkreuze auf den Eiern!»
«Nun hör doch mal zu, Mann!»
«Du halt doch das Maul! Du warst doch der größte Wichser aufm Internat, nich ich!»
Jossa warf den Hörer auf die Gabel, ging zum Kühlschrank und goß sich eine Cola ein, sank dann aufs halbwegs kühle Ledersofa und riß die TV-Beilage des Brammer Tageblatts hoch, hoffte, daß es heute abend eine Sendung gab, die ihn ein wenig von seinen Qualen wegbrachte, seiner Selbstbespiegelung; alle Brücken abgebrochen, nach Bramme ausgewandert, dreizehn Jahre Anja und keine andere. Die Trennung dann als Sache von Sekunden. Wie ein Schuß, wie eine Kugel, die im Nu vernichtet, was in langen Jahren aufgewachsen war. Nach außen hin nur eine Nichtigkeit, lächerlich der Auslöser, unterschwellig hatte sich das alles angestaut. Beim Würfeln, beim Kniffein. Das zählt nicht, du hast ja schon viermal gewürfelt! Nein, dreimal erst! Nein, viermal! Ich kann ja wohl noch bis drei zählen. Ich – ich – ich! Wenn’s dir nicht paßt, dann kann ich ja gehen! Dann geh doch!
Bramme, der Job beim Tageblatt, unsicher noch, ein halbes Jahr zur Probe, ob er zu den Leuten hier paßte. Mehr freier Mitarbeiter noch denn fest angestellter Redakteur. Nie sonderlich in Form, was Wunder bei den vielen schlafgestörten Nächten. Er schaffte es nicht. Trennung, Abnabelung. Alles zu verarbeiten, alles aufzuarbeiten… Scheiße alles, diese verdammte Züchologie! Gott, das mit der toten Ratte auf dem Overhead-Projektor war ja auch noch zu tippen!
Fernsehen war wichtiger! Am liebsten wäre ihm eine Mischung von sanftem Porno und heißem Europacup-Finale gewesen, mit ein paar Spritzern Woody Allen dabei, Loriot vielleicht, auch Sketchup und Hallervorden. Doch was fand er? Ein kleines Filmchen mit Anja in einer der Rollen, die sie gerade noch ausdruckten und nicht nur subsumierten unter u. a. oder u. v. a. Aber immer noch viel zu viele Minuten, die sie hier bei ihm im Zimmer sitzen, singen, schwimmen, lachen würde, ihren Körper präsentieren, ihr Gesicht hinhalten.
Wenn er sie sah, gab es wieder nur die beiden Möglichkeiten: Entweder er onanierte bei ihrem Anblick wie wild, oder er lief aus dem Zimmer hinaus und machte Anstalten, sich vom Balkon aus in die Tiefe zu stürzen, fünf Etagen hinunter, hatte gestern erst am Geländer gestanden, nicht weit vom point of no return entfernt. Arschloch, du! Vielleicht war es besser, zuerst den Fernseher auf die Straße zu werfen. Oder ihn ausgeschaltet zu lassen und sich in der neuen Altstadt-Pinte unten, diesem m.a.v. wieder einmal sinnlos zu besaufen. O Jens-O. so wirst du hier in Bramme niemals Wurzeln schlagen!
Er sprang auf, mußte wieder los, hatte ja um 16Uhr 30 den lang erwarteten Termin im Knast, in der JVA Bad Brammermoor draußen; Überschrift: Mit einem Mörder allein in einer Zelle. Wenn sie überhaupt einen aufgetan hatten, der sich ausfragen ließ.
Jossa duschte sich schnell und streifte sich sein Lieblings-T-Shirt über, jenes brasilianisch-gelbe, in dem er sich immer ein wenig wie Pele, Garrincha oder Zico fühlte. Kam, trotz der feuchten Hitze, noch die Lederweste mit den vielen Taschen rüber, gedacht, in Stadt und Landkreis Bramme zum optischen Jingle zu werden, Marke und Erkennungszeichen: Seht, da kommt der Jossa an! Nur noch die Nickelbrille geputzt und den speckig-grünen Ringordner gegriffen und ab durch die Mitte.
Gleich neben seiner Wohnungstür hatte er den Zugang zur zentralen Technik entdeckt, und wenn er die durchquerte, konnte er direkt das fünfte Deck des neuen Parkhauses in der Packhofstraße erreichen, in seinen schwarzen Golfsteigen und losjagen, zuerst die Serpentinen hinunter, dann über ein paar verschlungene Pfade auf die Brammermoorer Brücke hinauf und schließlich auf der Bundesstraße südwärts Richtung Geest beziehungsweise Moor.
Gute anderthalb Kilometer fuhr er nun am Geestrand entlang, zumeist durch lichte Kiefernwäldchen hindurch, bis er eine Anhöhe von gerade eben
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