Ich lege Rosen auf mein Grab
doch damals allesamt zum Torfstechen abkommandiert worden.
Seinen Gesprächspartner hatte er noch nicht wahrnehmen können, denn der war hinter die geöffnete Schranktür gesprungen, um sich schnell mit Hemd und Trainingshose herzurichten, hatte offenbar bei dieser Affenhitze nackt auf seinem Bett gelegen.
«Gewitterstimmung», merkte Kassau an. «Bald wird’s draußen losgehen. Wenn Sie fertig sind mit Ihrem Interview, dann drücken Sie die Ampel, das heißt, den Knopf hier, und ich komm her und laß Sie wieder raus.»
«Okay!» Jossa nickte.
Kassau ging, warf die Tür mit einem explosionsartigen Geräusch wieder zu, schloß ab und verschwand, während Jossa neben dem Klobecken verharrte und gespannt auf Mugalles Reaktionen wartete.
Der nutzte die Schranktür noch immer als Wandschirm. «Tut mir leid, ich war grad eingenickt gewesen… An meiner Trainingshose ist leider der Gummi… Aber das hätten wir gleich…»
«Bloß nicht hetzen, wir haben ja Zeit…» Jossa hatte Mühe mit dem Atmen. «Nehmen Sie’s mit bitte nicht übel, aber die Luft hier…!»
Mugalle lachte. «Schlimmer als im Puff, ich weiß. Aber leider kommt’s nicht von den Damen, auch nicht von den Därmen und Spermien, sondern bloß vom Aufgesetzten…»
«Wie das?» Jossa, obschon gerade erst nach Bramme zugereist, wußte bereits, daß das ein Klarer war, den sie mit irgendeinem Obst oder Aroma parfümiert hatten. «Alkohol im Knast, ist das nicht allerstrengstens untersagt?»
«Na, sicher. Aber welche von uns, die arbeiten in der Küche unten und können sich dort Hefe beschaffen, und andere wieder haben Bräute, die ihnen Äpfel, Pflaumen und Birnen mitbringen. Wenn man das denn bei der Hitze jetzt ansetzt, irgendwo versteckt und gären läßt, dann… Der Begrüßungstrunk für Sie steht schon bereit…»
Die Schranktür wurde zugedrückt, und als Jossa Mugalle erblickte, da hatte der zwei wohlgefüllte Zahnputzgläser in der Hand.
Sekundenlang standen sie da und musterten sich, stellten fest, daß sie beide eine gewisse Ähnlichkeit mit jenem bundesweit bekannten Baskenmützen-Männchen hatten, das schon seit Jahren für seinen Kräuterkäse den Clown machte und warb, lachten und fanden heraus, daß es bei Mugalle der Hugenottesche Urahn war, der dafür als Grund in Frage kam, bei Jossa hingegen die Mutter, die aus Roth bei Nürnberg stammte, aus Franken also, die Vorfahren wohl damals als fußkrank zurückgelassen, als der Kernstamm nach Westen aufgebrochen war, das Frankenreich zu gründen.
«Da haben wir also dieselbe Erbmasse, was…!? Kleine Köpfe, an Kassau gemessen; Kartoffel gegen Kohlrübe!» Ja, und schmale Gesichter, scharf geschnitten, dunkle Augen, schwarzes Haar, vor allem aber: «… irgendwie wie Thomas Mann!»
So war man sich also nähergekommen, und Mugalle, die Gläser mit dem selbstgemachten Schnaps erst einmal absetzend, bat Jossa, sich bittschön auf seinem Stuhl niederzulassen, während er die Kante seines Bettes nahm.
Jossa sah sich noch genauer um, studierte vor allem die Wand hinter Mugalle, die vollgeklebt war, tapeziert mit blonder Mähne, Brüsten, Schenkeln, Augen, mit Haut und nochmals Haut, hellen Härchen, dunklem Flaum, Öhrchen, Näschen, Grübchen, alles zerstückelt und zu immer neuen Ah- und Oh-Effekten übereinandergelegt und wieder zusammengefügt, statt der Klitoris ein Stückchen Ohr und ihr Madonnenauge mitten in der Brustwarze drin. «Nicht schlecht!» Immer, so schien es jedenfalls, ein und dasselbe Mädchen, aber das eigentlich Überraschende für Jossa war…
«… daß es in Ihrer tollen Erotik-Collage Bilder aus Magazinen, Illustrierten und so neben selbstgemachten Fotos gibt…?»
Mugalle lachte. «Das ist alles Chantal! Aus Playboy, stern und diversen Modejournalen, aber auch aus meinem eigenen Fotoalbum…»
«Ist sie Fotomodell?»
«Das auch und Tänzerin. Vor allem aber meine Braut, meine Verlobte, richtig so. In Treue fest zu mir, trotz meiner über drei Jahre hier im Knast.»
«Erstaunlich!» Jossa vertiefte sich weiter in Mugalles eingefrorenen Video-Clip über Liebe und Lust und seufzte tief. «Und beneidenswert… Meine Ex-Frau ist ja auch auf solchem exhibitionistischen Trip: Schauspielerin und dieses… Gelernte Psychologin, und mitten in der Doktorarbeit drin kriegt sie plötzlich ‘n Rappel und will zum Film. Ich kenn da ‘n paar Regisseure und verschaff ihr, damit sie auch selber mal ‘n paar Märker verdient, ‘ne Statistenrolle: Serviererin in einem
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