Ich lege Rosen auf mein Grab
und ohne jede Not, innerlich wie äußerlich, Haltung angenommen hatte, Demutsgeste gegenüber diesem Typen, ja, Arschloch du, trat einen Schritt zurück, brachte aber dennoch nichts anderes hervor als einen ungeschickten Satz, gedacht, dies alles voll zu ironisieren: «Das Brammer Tageblatt, Jossa, angetreten zur Verbüßung eines Interviews!»
Zweeloo lachte schallend, denn gerade schwebte eine nicht eben unansehnliche Knastpsychologin an ihnen vorbei, der er mit dem geilen Schmunzeln eines permanenten Playboy- oder lui -Lesers anzüglich zurief, ob sie sich, Gaby, denn unter soviel Männern wieder mal wohl gefüllt hätte, und dann, als sie dies verneint hatte, leider nicht, denn sie fühle sich nicht wohl, eine leichte Sommergrippe wohl, habe aber halt nicht schwänzen wollen, halblaut die Männerfreunde fragte, inwieweit wohl Schwanz und schwänzen sprachlich-innerlich zusammenhingen.
Jossa ging so viel Machotum auf die Nerven, verkniff sich aber jeden Kommentar, musterte statt dessen Zweeloos untersetzt-bulligen Begleiter, der ihm eben als «Kassau, unser bester Gruppenleiter», vorgestellt wurde.
Kassau hatte ein ungemein rundes und über alle Maßen flächiges Gesicht, rosig und mit blassen Borsten über den Augen oder besser Äuglein – schönstes Vergißmeinnicht-Blau –, Haaren über der Stirn aus frisch geschlagenem Flachs; ein Schweinsgesicht, bäurisch und pfiffig, auf einem dicken Strauß-Hals sitzend.
«Es war gar nicht so einfach», sprach der Anstaltsleiter feierlich und ölig, «für Sie einen Gefangenen zu finden, der in der Lage ist, seine Situation angemessen zu erfahren und wiederzugeben und auch willens war, sich auf ein Interview mit einem Journalisten ein zulassen.»
«So ist es, ja!» Kassau konnte das bezeugen.
«Schließlich sind wir auf Martin Mugalle gekommen, einen Mann in Ihrem Alter etwa, gescheiter Kreditmakler und kleiner Bankier, mit seiner NordInvest in die Pleite geschlittert und wegen verschiedener Delikte – Betrug, Steuerhinterziehung, Scheckmißbrauch und ähnlichem – für insgesamt dreieinhalb Jahre bei uns eingewiesen, zuzüglich noch zweiundzwanzig weiterer Monate, weil er den Freund, von dem er verpfiffen worden war, halbtot geschlagen hatte. Manche sagen, daß es ihm kurz vor seiner Festnahme noch gelungen sein soll, ein bis zwei Millionen Mark beiseite zu schaffen. Ein exotischer Vogel, nicht wahr, Kollege Kassau?»
«Ja, aber einer, der für ‘ne Zeitung ‘ne Menge hergeben kann.»
«Ich bin gespannt», sagte Jossa, «und herzlichen Dank zunächst einmal.»
Zweeloo schaffte ein gewinnendes Vertreterlächeln. «Wenn Sie später Fragen haben sollten, Herr Jossa, so stehe ich Ihnen selbstverständlich jederzeit zur Verfügung. Jetzt aber bitte ich, mich zu entschuldigen… Ich habe noch ein dringendes dienstliches Gespräch mit unserer kleinen Psychologin hier…» Er lief ihr nach.
Kassau grinste. «Wenn er’s tut, dann nur stellvertretend für die Hälfte unserer Knackis und als Wohltat für deren Phantasie. Aber das schreiben Sie bitte nicht!»
«Ganz sicher nicht.»
«Dann darf ich bitten…!»
Jossa wurde mit einem Schlüssel von mittelalterlicher Größe in einen kleinen Vorhof durchgeschlossen, dann ging es nach dessem Passieren in den dreistöckigen Mittel- oder Zentralbau hinein.
Vier Gebäuderechtecke mündeten hier in einen quadratischen Hohlraum von erheblicher Höhe, einen Turm, in den drei gläserne Kanzeln meterweit hineinragten, pro Stockwerk eine, die Sicht in alle vier abgehenden Stationen möglich machten.
«Das nennt man das pennsylvanische oder das panoptische System», erklärte Kassau. «Ist seit hundert Jahren immer noch das sicherste, was aufm Markt ist.»
Das Besondere an diesem Bauwerk war, daß die einzelnen Stockwerke aller vier Flügel keinen durchgezogenen Fußboden aufwiesen, sondern nur verhältnismäßig schmale Galerien, von denen dann die Zellen abgingen. Um zu verhindern, daß man von oben schwere Gegenstände runterwarf oder sich gar selbst in schlimmer Absicht in die Tiefe stürzte, waren überall Netze gespannt.
Gitter wie im Raubtierkäfig, notierte sich Jossa, Netze wie im Zirkus. Und eine fürchterliche Akustik; als ihm beim Herausholen seines Kugelschreibers ein Markstück auf den Boden fiel, da schien es so, als wäre ein Blechteller auf die Betonplatten gepoltert.
«Häih!» schrie ein Knacki von oben. «Störung der Totenruhe ist strafbar!» Und warf eine brennende Kippe so geschickt nach unten,
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