Ich liebe mich... Sabrina (German Edition)
nächsten, um sich schließlich im großen Becken wieder zu vereinigen. Ich blieb versonnen stehen und sah dem Schauspiel zu.
Dieser Brunnen erschien mir wie ein Sinnbild des Lebens: Wir steigen auf, um dann wieder von Jahrzehnt zu Jahrzehnt springend, uns eines Tages erneut mit dem großen Wasser , aus dem wir gekommen sind, zu verbinden. Auf welcher Stufe war mein Leben schon angekommen? Ich habe schon mehr als die Hälfte hinter mir, sinnierte ich. Das Wasser schäumte wild und rauschte von Ebene zu Ebene. Schäumte mein Leben auch laut und rauschend von Jahrzehnt zu Jahrzehnt...? Vor meinem geistigen Auge sah ich meine Jahre eher müde und kraftlos, ereignislos den Lebensbaum herabrieseln.
Hoppla!, schalt ich mich, Brina, was sind das für Gedanken? Schnell ging ich weiter, denn ich wollte schließlich keine Trübsal blasen. Ich sah mir die Klinik von außen an und versuchte, mein Fenster im zweiten Stock auszumachen. Da, da vorne links, das musste es sein. Es war schön hier, auch das Gebäude strahlte eine saubere, funktionale, doch durchaus freundliche Atmosphäre aus. Ja, drei Wochen hier würden mir gut tun. Davon war ich jetzt überzeugt!
Einmal rauskommen und Abstand gewinnen , hatte Peter das nicht so gesagt? Ja, er hatte recht. Ich dachte an ihn. Was er jetzt wohl machte? Es war Nachmittag. Da würde er jetzt sicher eine kleine Verschnaufpause bei einer Tasse Tee einlegen, um sich danach mit neuem Elan wieder der Gartenpflege zuzuwenden. Er liebte es, nachmittags seinen Earl-Grey zu trinken, drei Minuten gezogen, das war ihm wichtig. Wie bei vielen anderen Dingen auch, neigte er dabei ein wenig zum Ordnungswahn. Na, bei seinem Sternzeichen, Jungfrau, war das sicherlich nicht weiter verwunderlich.
Ich kannte schlimmere Jungfrau-Geborene: meinen Onkel, den älteren Bruder meines Vaters, zum Beispiel. Als Kinder hatten wir uns einen Spaß daraus gemacht, ihn mit seiner Pedanterie aufzuziehen. In seinem Garten standen Gartenzwerge, was an sich schon peinlich genug war. Die hatten alle nicht nur einen festen Platz, sondern auch eine bestimmte Ausrichtung! Wie oft hatten wir ihn geärgert, indem wir die Zwerge vertauschten. Manchmal verdrehten wir nur eine Figur etwas und schlossen Wetten darauf ab, wie lange es bis zur Korrektur durch Onkel Reinhard dauern würde.
Als ich zwanzig Minuten später meine Runde durch den Klinikpark beendete und schon wieder Richtung Haupteingang unterwegs war, sah ich Hanne und Angie untergehakt und fröhlich plaudernd aus dem Ort zurückkommen. Ich winkte ihnen zu, und sie steuerten in meine Richtung.
»Stell dir vor, Brina, ich habe unsere Kleine , damit meinte sie unverkennbar Angelika, adoptiert.« Kichernd drückte sie Angelika an sich, während die konterte: »Und ich habe diese etwas zurückhaltende Mutter erst einmal auftauen müssen!«
Ich staunte. »Was ist passiert?«
»Hanne erzählte mir, dass sie aus Essen kommt und da habe ich sie gefragt, ob sie mit einem Franz Tannhaus verwandt sei? Das war nämlich der Bruder meines Großvaters. Und stell dir vor - tatsächlich! Hannes verstorbener Mann, der Bernd, hatte in seiner Familie einen Franz! Der war Bernds Großvater. Wir sind also über mehrere Ecken miteinander verwandt, ist das nicht verrückt?«
»Das ist ja unglaublich!« An Hanne gewandt, fuhr ich fort: »Und daraufhin hast du dich entschlossen, dieser Göre ihr schlechtes Benehmen zu verzeihen?«
»Tja, was blieb mir anderes übrig, wo wir doch nun verwandt sind.« Betont betulich wackelte sie mit dem Kopf und griente verschmitzt.
»Wir hatten viel Spaß und Bad Doberan ist schnell erkundet. Wir wollen demnächst Fahrräder mieten und mal an die Ostsee fahren, vielleicht schon morgen?«
»Die Idee war mir vorhin auch schon gekommen. Die Luft riecht so würzig nach Meer. Ich habe gesehen, dass in der Klinik Fahrräder zur Verfügung stehen. Morgen ist Sonntag, da ist unser Kurprogramm nur auf den Vormittag beschränkt. Dann können wir ja am Nachmittag zum Strand fahren«, schlug ich vor. Die beiden stimmten spontan zu.
Das Abendessen nahmen wir gemeinsam ein, dann trennten sich für den weiteren Abend unsere Wege. Die beiden wollten noch ein wenig fernsehen und ich hatte mir vorgenommen, einige überfällige Telefonate zu führen. Anschließend wollte ich mich schon einmal an meiner Hausaufgabe versuchen. Die ging mir schon seit dem Gespräch mit Herrn Sibelius nicht aus dem
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