Ich liebe mich... Sabrina (German Edition)
Sinn.
Nachdem ich mit Conny telefoniert und ihr einen ersten Zwischenbericht abgeliefert hatte, setzte ich mich an den kleinen Tisch im Zimmer und nahm den Bogen mit der provozierenden Frage: Wenn ich keine Angst hätte, würde ich ...? zur Hand.
Wie sollte ich das angehen? Ich griff zum Schreibblock, denn ich wollte zunächst Stichworte aufschreiben und erst danach meine Antworten in Reinschrift auf dem Originalfragebogen eintragen. Ich mache ein Brainstorming, dachte ich, schreib einfach ungefiltert alles auf, was mir in den Sinn kommt. Allzu lange musste ich über die Antworten gar nicht nachdenken; mein Stift flog nur so über das Papier:
Wenn ich keine Angst hätte, würde ich:
Motorradfahren,
Norwegen erkunden,
Allein in freier Natur zelten,
Allein essen gehen,
Mir einen Hund kaufen,
Mich selbstständig machen,
Einmal durch unseren Stausee schwimmen - bis an das andere Ende,
Ein Kinderbuch schreiben,
Allein mit fetzigen Klamotten in eine Disco gehen und die Nacht durchtanzen,
Mir auf St. Pauli eine Sex-Show ansehen.
Uff, das war ja schon eine ganze Menge! Binnen weniger Minuten war eine kleine Aufzählung unerledigter Wünsche entstanden. Hatte ich am Nachmittag noch gedacht: Was soll die Frage, kamen jetzt mehr Antworten, als mir lieb waren. Als mir einfiel, dass ich das in Schönschrift auf dem Originalzettel für Herrn Sibelius aufschreiben wollte, strich ich spontan die letzte Position durch. Was würde der sonst von mir denken?
Wie gut, dass ich erst einmal in Kladde geschrieben hatte. So nahm ich jetzt Herrn Sibelius' Fragebogen zur Hand und schrieb fein säuberlich, ordentlich untereinander, noch einmal die Positionen meiner kleinen Liste auf - außer der Sex-Show natürlich. Dafür setzte ich an deren Stelle eine andere Bemerkung: nicht so angepasst sein
Als ich fertig war, unterschrieb ich die Liste mit
Sabrina Hartmann
Ich steckte den Bogen in einen Briefumschlag, klebte ihn zu und warf ihn danach sofort in den Briefkasten von Herrn Sibelius, denn ich befürchtete insgeheim, es mir sonst eventuell doch noch einmal anders zu überlegen. Nachdem das erledigt war, atmete ich tief durch. In jenem Moment ahnte ich bereits, dass ich den ersten Schritt auf einem Weg getan hatte, dessen Ende ich nicht absehen konnte...
Mich durchfuhr ein Frösteln - fasziniert sah ich zu, wie sich auf meinen Unterarmen eine Gänsehaut breit zu machen begann.
Kapitel 4
Am nächsten Tag, als wir zum Strand fuhren, wehte der Wind noch kräftiger als am Vortag. Wir hatten ordentlich gegen den Sturm anradeln müssen und uns deshalb in winddichte, kuschelige Anoraks gehüllt. Der Weg war nicht sehr weit. Mit den Rädern brauchten wir nur etwas mehr als eine halbe Stunde. Wir stellten sie ab und ketteten sie aneinander. Als wir uns ansahen, fingen wir prustend an zu lachen: Unsere Gesichter sahen durch die Anstrengung aus wie reife Tomaten - so gerötet waren sie!
»Steife Brise, was?«, brüllte Hanne lachend gegen den Wind und den Lärm der Brandung an. »Ich bin das Fahrradfahren gar nicht mehr gewohnt«, stapelte sie tief, denn sie war kein bisschen aus der Puste.
Wir nickten zustimmend und gingen Richtung Wasserkante. Der Strand war menschenleer, die Brandung beachtlich. Weite Teile des Strandes wurden vom Meer überspült! Ein mächtiges Rauschen und Donnern vermischte sich mit dem hellen, aufgeregten Geschrei der Möwen und erfüllte die Luft. Die weißen Kämme der heran schlagenden, sich brechenden Wellen schienen nach uns greifen zu wollen. Die schäumenden Wogen erinnerten in ihrem Spiel des Voranpreschens und Zurückweichens an eine Raubkatze, die mit ihren Pranken nach uns schlug, uns jedoch nicht erreichen konnte.
Ich schloss die Augen und reckte meine Arme dem Sturm entgegen. Herrlich, diese brausenden Elemente zu erleben; das Meer, den Sturm, die Sonne und das Salz der sprühenden Gischt auf den Lippen zu schmecken! Schäumende, gurgelnde, heulende Naturgewalten! Leben zum Anfassen, dachte ich, und mich durchströmte dabei ein lange vergessenes Glücksgefühl. Ich fühlte mich unglaublich jung, stark, frei, als könnte ich Bäume ausreißen! Alle Last und Schwere fielen von mir ab. Das tat gut!
Nach einer Weile öffnete ich wieder die Augen, atmete bewusst tief ein und aus. Mit einem raschen Seitenblick auf Angie und Hanne erkannte ich, dass die beiden ebenfalls beeindruckt und
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