Ich liebe mich... Sabrina (German Edition)
mich aus meinen Gedanken.
»Ich bin ganz angenehm überrascht, muss ich sagen.«
»Nicht wahr? Ich finde, es macht alles einen sehr ordentlichen und gepflegten Eindruck. Im Vergleich zu meiner letzten Kur vor vier Jahren in Bad Säckingen, also, alle Achtung! Hoffentlich sind auch unsere Mit-Patienten gut verträglich.«
Mit-Patienten, sie sagte doch tatsächlich Mit-Patienten . Das klang für meine Ohren ungewohnt, aber sie hatte ja recht. Hätte sie Mitschüler gesagt, wäre ich weniger darüber gestolpert. Ich musste über mich lächeln, denn diese Frau Tannhaus als Mitschülerin einzustufen, wäre mir nicht wirklich in den Sinn gekommen.
»Ach, Sie haben schon Kur-Erfahrung? Für mich ist es das erste Mal«, antwortete ich, »und ich bin schon sehr gespannt, auf das, was kommt - richtig aufgeregt!«
»Na, Frau Hartmann, da werden Sie sich noch wundern, was hier so abgehen wird. Glauben Sie mir, ich spreche da aus Erfahrung!«, ließ sie mich wissen und schenkte mir einen amüsierten Blick.
»Seitdem mein lieber Bernd tot ist, das ist ja nun auch schon fünf Jahre her«, seufzte sie und senkte ihre Stimme um einige Nuancen, »lebe ich allein und, glauben Sie mir, das ist nicht immer leicht.« Bekümmert schüttelte sie den Kopf. »Sie sind sicher verheiratet, oder? Eine Frau wie Sie?« Anerkennend streifte mich ihr Blick.
»Ja, schon seit vierundzwanzig Jahren. Unsere beiden Töchter sind aus dem Haus, seitdem ist es bei uns etwas stiller geworden.«
»Vierundzwanzig Jahre? Na, da haben sie ja bald Silberhochzeit!« Da tauchte dieses Wort schon wieder auf. Sind denn alle verrückt geworden? Alle reden von Silberhochzeit, als gäbe es nichts anderes auf der Welt, dachte ich.
»Ja, so ist es. Ich wundere mich manchmal selbst, wie schnell die Zeit vergeht.«
»Und das wird immer schlimmer, das mit der Zeit, meine ich. Geradezu, als säße man in einem D-Zug, der immer schneller fährt. Eh' man sich's versieht, hat man das Meiste schon hinter sich. Man mag gar nicht daran denken, ob es überhaupt noch Nennenswertes gibt, das vor einem liegt.« Sie nickte betrübt, wie, um ihre Aussage selber noch einmal zu bestätigen. Sie musste es gewohnt sein, Selbstgespräche zu führen, das sah man.
Unwillkürlich dachte ich an das Bild von heute Morgen, als ich Peter aus der Ferne winkend am Horizont verschwinden sah. Was würde eigentlich noch Nennenswertes vor mir liegen? , fragte ich mich. Verdammt, was sind das für Anflüge von Sentimentalität und Schwermut? Ich stellte mein Geschirr zurück auf das Tablett und sah sie an.
»Kommen Sie gleich mit zur Begrüßung in den großen Leseraum?«
»Ja!« Sie sah auf ihre goldene Uhr. »Wir sollten schauen, dass wir hinkommen.«
Wir standen auf und räumten unsere Tabletts in die Geschirrwagen. Andere taten es uns gleich. Der Saal war nun erfüllt von Unruhe und Geschirrklappern. Im Foyer strebten wir ein wenig orientierungslos der Herde nach und fanden uns kurz darauf im großen Lesezimmer wieder. Der Raum war mit einem dunkelblauen Teppich ausgelegt. Auf den Tischen lagen, im Gegensatz zum Speisesaal, hübsche Decken. Bücherschränke an den Wänden rundeten die beruhigende Atmosphäre ab. Auf jedem Tisch stand ein kleiner Glaszylinder mit einem schönen Pflanzenarrangement.
Die Vierertische füllten sich langsam. Zwei Herren gesellten sich zu uns. Dann wendeten sich alle Blicke dem Referenten zu, der sich am Raumende aufgebaut hatte und sich als Thomas Seifert vorstellte. Er sei der Verwaltungschef der Kur-Klinik und hieß uns erst einmal auf das Herzlichste in der Klinik willkommen. Dann gab er uns einen kurzen Abriss über die verschiedenen Kurabteilungen im Hause und teilte uns mit, dass der ganze nächste Vormittag reserviert sei für Patienten/Arzt-Gespräche, in denen der weitere Ablauf unserer Kur individuell geplant würde.
Man habe natürlich entsprechend Mitspracherecht und solle, so seine Anregung, vor allem auch von den Angeboten der so genannten Problemlösegruppen Gebrauch machen. Es gäbe mehrere solcher Gruppen. Näheres sei an der Pinnwand im Foyer aufgelistet. Die Klinik habe mit diesen Gesprächsangeboten, unter der Leitung der im Hause tätigen Ärzte und Therapeuten, bisher sehr gute Erfahrungen gemacht.
Es wurde dann noch darauf hingewiesen, dass man die Zeit tunlichst nutzen solle, sich ganz der Behandlung seiner jeweiligen Erkrankung zu widmen. Es werde von
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