Ich musste sie kaputtmachen: Anatomie eines Jahrhundert-Mörders (German Edition)
rechtlich unbedenklich sein kann«.
Allerdings heißt es an anderer Stelle wiederum: »Es wäre nicht mit dem Schutze der Menschenwürde vereinbar, wenn der Verurteilte ungeachtet der Entwicklung seiner Persönlichkeit jegliche Hoffnung auf Freiheit aufgeben müsste und damit von vornherein zum Versterben in der Haft verurteilt würde.« Demnach muss individuell prognostiziert und entschieden werden. Doch wann ist es genug? Und für wen? Den Täter, die Opfer, die Hinterbliebenen der Opfer oder die Öffentlichkeit, die wutschnaubend nach Vergeltung ruft? Wie lange soll ein Kindermörder sühnen? Sind 25 Jahre angemessen? Oder 30? Vielleicht 35? Gar 40? Und im Einzelfall eventuell achtundreißigeinhalb? Wie viel muss sich ein Mensch zuschulden kommen lassen, wie viel Leid muss er anderen zugefügt haben, bevor man ihn für immer aus der Sozialgemeinschaft ausschließen darf?
Über die hoffnungslosen Fälle der deutschen Strafjustiz wird nicht gesprochen, sie werden ausgesessen und totgeschwiegen. Nur ein Beispiel von vielen: Heinrich Pommerenke, ein mehrfacher Sexualmörder, vor Jahren an Krebs erkrankt, verbüßt in der Justizvollzugsanstalt Bruchsal sein »Lebenslänglich« – seit nunmehr 43 Jahren. Derzeit werden in deutschen Strafvollzugsanstalten 310 Insassen in »Sicherungsverwahrung« gehalten. Es sind Frauen und Männer, die als »nicht therapierbar« und »dauerhaft gefährlich« gelten. Ihnen blüht dasselbe Verhängnis wie Pommerenke. Zu Recht?
Es fällt schwer, sich für das Schicksal dieser gefühlskalten und hoffnungslos überforderten Menschen zu erwärmen. Schließlich sind sie selbst und alleine schuld – jedenfalls juristisch. Aber hinter jedem »Monster« steckt auch ein Mensch. Und die Strafen, die wir verhängen und vollstrecken, sagen nicht nur etwas über die Gesinnung und das Wesen der Täter aus. Können wir es uns unter dem verfassungsmäßig garantierten und alles überstrahlenden Aspekt der Menschenwürde leisten, an diesem unbestreitbaren Elend vorbeizuschauen, es zu ignorieren, bis der Tod des Delinquenten die (Er)Lösung bringt? Wenn wir nicht selbst zu Tätern werden wollen, müssen wir uns der Diskussion stellen. Also: Wohin mit ihnen?
Stephan Harbort
Literatur
Anonymus: Freier Abend endet mit Mord. Westdeutsche Allgemeine Zeitung, 19.6.1959
Anonymus: »Ich habe Manuela Knodt getötet!«. Westdeutsche Allgemeine Zeitung, 15.2.1960
Anonymus: Erwürgtes Mädchen lag im Wald. Westdeutsche Allgemeine Zeitung, 25.4.1962
Anonymus: Polizei sucht fieberhaft nach Ingeborg. Rheinische Post, 14.6.1962
Anonymus: Noch keine greifbare Spur von Ingeborg. Rheinische Post, 15.6.1962
Anonymus: Kleine Ingeborg lag mit Rollschuh tot im Fluß. Rheinische Post, 18.6.1962
Anonymus: Viele Spuren ohne handfeste Beweise. Rheinische Post, 18.6.1962
Anonymus: Schon wieder ein Kind ermordet! Bild, 19.6.1962
Anonymus: Kindesleiche geborgen. Hamburger Abendblatt, 19.6.1962
Anonymus: Auch Monika Tafel ermordet. Rheinische Post, 19.6.1962
Anonymus: Lehrerin betreut Schwestern der toten Monika. Westdeutsche Allgemeine Zeitung, 19.6.1962
Anonymus: Mit Angst fängt man keine Mörder. Düsseldorfer Nachrichten, 20.6.1962
Anonymus: Reizten den Mörder rote Kindermäntel? Hamburger Morgenpost, 20.6.1962
Anonymus: Die Kindermörder gehen um. Westdeutsche Allgemeine Zeitung, 20.6.1962
Anonymus: Nicht zu fassen: Neuer Kindermord. Düsseldorfer Nachrichten, 21.6.1962
Anonymus: »Das ist meine Monika«. Neue Ruhr Zeitung, 21.6.1962
Anonymus: » Ja, das ist meine Monika!«. Rheinische Post, 21.6.1962
Anonymus: Überall taucht der Mörder auf. Rheinische Post, 21.6.1962
Anonymus: Dorlöchter gestand den Mord. Westdeutsche Allgemeine Zeitung, 22.6.1962
Anonymus: Dreizehnjährige wurde sechstes Opfer der Kindermörder. Westdeutsche Allgemeine Zeitung, 22.6.1962
Anonymus: Eltern ängstigen sich um Kinder. Westdeutsche Allgemeine Zeitung, 22.6.1962
Anonymus: Am Grab Ruf nach Todesstrafe. Düsseldorfer Nachrichten, 23.6.1962
Anonymus: Die beiden Monikas kannten ihre Mörder. Düsseldorfer Nachrichten, 23.6.1962
Anonymus: Serie des Grauens reißt nicht ab. Neue Ruhr Zeitung, 23.6.1962
Anonymus: …und noch ein Kindermord. Rheinische Post, 23.6.1962
Anonymus: Wenn der Flieder blüht. Der Spiegel, 1962, Heft 27
Anonymus: Neben der Freundin ermordet. Bild, 24.8.1965
Anonymus: Überfall auf Liebespaar. Hamburger Abendblatt, 24.8.1965
Anonymus: Gräßliche
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