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Ich musste sie kaputtmachen: Anatomie eines Jahrhundert-Mörders (German Edition)

Ich musste sie kaputtmachen: Anatomie eines Jahrhundert-Mörders (German Edition)

Titel: Ich musste sie kaputtmachen: Anatomie eines Jahrhundert-Mörders (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Harbort
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werden. Den Auftakt machte Oberstaatsanwalt Rudolf Hölting. Der Ankläger ging davon aus, dass der Widerruf der Geständnisse lediglich eine »taktische Maßnahme« gewesen sei. Krolls ursprüngliche Bekenntnisse vor der Kripo und den Ermittlungsrichtern seien »glaubhaft und in sich schlüssig«. Bei seiner »geringen Intelligenz und mangelnden Phantasie« habe er die grausamen Taten »nicht ohne Erlebensgrundlage« schildern können.
    Die Frage, ob Kroll strafrechtlich verantwortlich sei, bejahte Hölting: »Er ging zielgerichtet, überlegt, absichernd und sich der Umgebung anpassend vor.« Nach den Morden sei er stets bemüht gewesen, seine Spuren zu verwischen. Der Angeklagte hätte »beim Aufbieten allen Willens seinem abartigen Trieb widerstehen können«. Nach Überzeugung des Oberstaatsanwalts war Kroll erst 21 Jahre nach seinem ersten Mord aufgeflogen, weil er »die Schauplätze und die Tötungsarten gewechselt« habe. Eine verminderte Schuldfähigkeit könne wegen des vermuteten frühkindlichen Hirnschadens »nicht ausgeschlossen« werden. Die Grausamkeit der Taten und die »ungeheure Energie«, mit der sie durchgeführt wurden, hebe jedoch »diese Schuldminderung von leichtestem Grade auf«. Es sei eine »Lieschen-Müller-Theorie«, dass »Sexualtäter nun einmal nicht anders können«.
    Nach fünf Tagen schloss Hölting sein Plädoyer mit den Worten: »Die Gesellschaft hat ein gesetzliches Recht darauf, vor Kroll geschützt zu werden. Er hat grenzenloses Leid über zahlreiche Familien gebracht, das nicht wiedergutzumachen ist. Das Bedürfnis nach gerechter Sühne und der Schutz des menschlichen Lebens erfordert die Höchststrafe.« Krolls Ankläger forderte neunmal »Lebenslänglich«.
    Von der Verteidigung war Dietrich Lazarz angetreten, um die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft zweifelhaft erscheinen zu lassen oder zu entkräften. Der Rechtsanwalt warf den Anklägern vor, »Einsichtsfähigkeit mit Schuldfähigkeit verwechselt zu haben«. Zudem seien die widerrufenen Geständnisse »keine gewesen«, denn »nach der juristischen Terminologie liegt nur dann ein Geständnis vor, wenn Kroll vor dem Richter mit Begründung seine Taten eingeräumt« hätte. Lazarz diskutierte auch die Frage, ob nicht nur das Erinnerungsvermögen seines Mandanten, sondern auch das Gedächtnis der ermittelnden Beamten nach »einer so großen Zeitspanne doch Lücken aufweist«. Es gebe dafür genug Parallelen – etwa bei großen NS-Verfahren. In diesem Zusammenhang unterstellte er den Kriminalisten eine »erschreckende Sorglosigkeit« und »zahlreiche Versäumnisse« bei den Ermittlungen.
    Lazarz zeichnete von Kroll das Bild eines »schwerkranken Menschen« und versuchte das Gericht milde zu stimmen: »Es ist zu beachten, dass hier ein Bruder Mitmensch zu verteidigen ist. Kroll ist keine Bestie im Sinne der lateinischen Übersetzung, nicht das wilde Tier, sondern er trägt Gottes Antlitz wie wir alle!« Der Rechtsanwalt forderte schließlich in jedem Fall wegen »völliger Schuldunfähigkeit Freispruch aus tatsächlichen Gründen«.
    Das letzte Wort sollte naturgemäß der Angeklagte haben. Doch Joachim Kroll wollte von diesem Recht keinen Gebrauch machen. Was hätte er auch sagen sollen! Mit leicht zittriger Stimme nuschelte er nur einen vorformulierten und auswendig gelernten Satz ins Mikrofon: »Ich möchte mich den Verteidigern anschließen.«

54
                        
                       An einem Donnerstag hatte dieser Aufsehen erregende und denkwürdige Prozess begonnen, an einem Donnerstag sollte er sein Ende finden. Es war der 8. April 1982, der 151. Sitzungstag. Rund 80 Zuschauer waren im Schwurgerichtssaal erschienen, nachdem die Verhandlung zuvor weitestgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattgefunden hatte. 250 Zeugen und 13 Sachverständige waren gehört worden, um diesen düsteren »Jahrhundert-Fall« der deutschen Justiz zu erhellen. Zu entscheiden hatte das Gericht vornehmlich, wie viele Morde von Kroll tatsächlich begangen worden waren und wo er den Rest seines Lebens würde verbringen müssen. Also: Haftanstalt oder Heilanstalt?
    Um kurz nach 9 Uhr verkündete der Vorsitzende Paul Schimmann »im Namen des Volkes« das Urteil: »Der Angeklagte ist des Mordes in acht Fällen und des versuchten Mordes schuldig. Er wird zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt.«
    Alle Blicke richteten sich sofort auf den Angeklagten, dessen fahles Gesicht jedoch keinerlei

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