Ich schreib dir morgen wieder
viel Vertrauen in ihre Freundschaft hatte, machte Rosaleen nur umso eifersüchtiger. Als die Jungen aufs College kamen, hatte sich die Multiple Sklerose von Rosaleens Mutter deutlich verschlimmert, ihr alternder Vater war krank, und sie brauchten dringend Geld. Rosaleens Geschwister waren zu weit entfernt, um zu helfen, und so waren Rosaleens Eltern ganz auf ihr Nachzüglerkind angewiesen – obwohl sie nie gewollt hatten, dass die Jüngste für sie sorgen musste. Rosaleen war gezwungen, die Schule zu verlassen und die Stelle ihrer Mutter im Schloss zu übernehmen. Jennifer dagegen blieb ein Glückskind und reiste sogar gelegentlich nach Dublin, um die beiden Jungen zu besuchen.
Das waren für Rosaleen immer die schlimmsten Tage. Ohne die anderen drei war ihr Leben furchtbar langweilig, und sie konnte sich nur mit dem Gedanken über Wasser halten, dass Laurie endlich zurückkam. Sie baute Phantasieschlösser, träumte von der Vergangenheit und malte sich in den schönsten Farben die Zukunft aus, während die anderen sich in der Stadt vergnügten und spannende Dinge erlebten – Laurie war an der Kunsthochschule und schickte hin und wieder seine gläsernen Objekte nach Hause, Artie studierte Gartenbau. Und Jennifer konnte sich vor Model-Angeboten kaum retten. In den Ferien, wenn alle wieder zu Hause waren, hätte Rosaleens Leben kaum glücklicher sein können – abgesehen davon, dass sie sich immer noch danach sehnte, Laurie würde sie so ansehen, wie er Jennifer ansah.
Sie hatte nicht gewusst, dass die beiden schon seit einiger Zeit ein Paar waren, und konnte nur vermuten, dass es irgendwann in Dublin angefangen hatte, während sie, Rosaleen, zu Hause gesessen, Fasane gerupft und Fisch ausgenommen hatte. Sie fragte sich, ob die beiden es ihr jemals von sich aus erzählt hätten, aber so erfuhr sie es auf eine Weise, die zutiefst peinlich für sie war – als sie eines Tages Laurie bat, mit ihr zum Apfelbaum zu gehen, wo sie ihm die Inschrift »Rose liebt Laurie« zeigte und ihm gestand, was sie für ihn empfand. Sie war so sicher gewesen, dass ihre Beichte ihn zutiefst rühren und er sie endlich so sehen würde, wie sie wirklich war – was sie leistete, dass sie das Schloss ohne ihn in Schuss hielt, wie tüchtig sie war. Seit Monaten, seit Jahren hatte sie von diesem Tag geträumt.
Aber es funktionierte nicht. Alles kam anders, als sie es sich all die Jahre erträumt hatte, wenn sie allein in der Schlossküche gesessen und ihrer Phantasie freien Lauf gelassen hatte. Rosaleens Leben wurde dunkel und kalt. Als ihr Vater kurz darauf starb, nahmen sich die Jungen vom College frei, um an der Beerdigung teilzunehmen, und Rosaleens Schwester wollte ihre Mutter zu sich nach Cork holen. Aber ohne ihre Mutter hätte Rosaleen gar nichts mehr gehabt. Also erklärte sie sich bereit, die Pflege ihrer Mutter zu übernehmen. Jennifer bot ihr immer wieder ihre Unterstützung und auch ihre Freundschaft an, was Rosaleen annahm, obwohl sie nie aufhörte, ihre Rivalin zu hassen. Sie hasste alles, was Jennifer sagte, sie hasste alles, was Jennifer tat, sie hasste Jennifer dafür, dass Laurie sie liebte.
Im Herbst 1990 wurde Jennifer schwanger, und nun war Rosaleens Leben endgültig ein Scherbenhaufen. Die Kilsaneys nahmen Jennifer mit offenen Armen in ihre Familie auf. Begeistert zeigte Mrs Kilsaney ihr die Kleiderschränke, das Hochzeitskleid – alles, was doch eigentlich Rosaleen hätte bekommen sollen. Jede Woche wurden Jennifer und ihr Vater zum Essen eingeladen, und Rosaleen kochte für sie. Die Demütigung war so groß, niemand konnte sie wiedergutmachen.
Das Kind kam zwei Wochen zu früh zur Welt, und sie schafften es nicht mehr ins Krankenhaus. Rosaleen rannte durch die finstere Nacht zu der Nonne, die auch als Hebamme arbeitete. So bekam das junge Paar ein kleines Mädchen, das sie Tamara nannten – nach Jennifers Mutter, die gestorben war, als Jen noch ein Kind gewesen war. Obwohl Jennifer und Laurie noch nicht verheiratet waren, wohnten sie bereits zusammen im Schloss. Rosaleen und Arthur waren die Paten der Kleinen, die in der Schlosskapelle getauft wurde.
Aber das Leben war nicht einfach. Die Kilsaneys hatten Schwierigkeiten, das Schloss instand zu halten, es kam kein Geld herein, und allmählich wurde die Lage ernst. Die ganzen Räume zu heizen und zu unterhalten, das war einfach zu viel. Rosaleen hielt sich über die Probleme stets auf dem Laufenden – wie das sprichwörtliche Mäuschen hörte sie alles
Weitere Kostenlose Bücher