Ich schreib dir morgen wieder
mit.
Die Familie zog in Erwägung, das Schloss für Publikumsverkehr zu öffnen. Das würde heißen, jeden Samstag wildfremden Menschen zu erlauben, durch ihr Heim zu trampeln und Fotos zu machen von den antiken Schreibtischen aus dem 18. Jahrhundert, vom Eichenzimmer mit den Ahnenporträts, von der Kapelle, von den uralten Briefen, die sich Lords und Ladys, Politiker und Rebellen in unruhigen Zeiten geschrieben hatten.
»Nein«, jammerte Mrs Kilsaney jedes Mal, wenn die Idee auf den Tisch kam, »ich will mich doch nicht begaffen lassen wie ein Tier im Zoo. Außerdem – was soll das bringen? Von den paar Pfund, die wir damit einnehmen, können wir nicht mal das Dach in Ordnung bringen, geschweige denn Paddys Lohn und die Heizkosten bezahlen.«
Doch sie fanden eine Lösung. An einem wunderschönen Sommertag tauchten die Bauunternehmer Timothy und George Goodwin in ihrem Bentley in Kilsaney auf und trauten ihren Augen nicht, als sie das Anwesen mit seinen Wiesen und Teichen, den Rehen und den Fasanen erblickten. Es war wie in einem Themenpark. Wo sie auch hinschauten, vor ihren Augen erschienen Dollarzeichen. Timothy Goodwin, ein eleganter, aber etwas ungehobelter Mann in einem dreiteiligen Anzug und mit einem dicken Scheckheft in der Innentasche, verliebte sich in den Besitz. Sein Sohn George Goodwin dagegen verliebte sich in Jennifer Byrne. Rosaleen war noch nie so glücklich gewesen. Während sie bei dem Bankett im großen Speisesaal bediente, konnte sie nicht umhin zu bemerken, dass George Goodwin nur Augen für Jennifer hatte. Mit Laurie wechselte er kaum ein Wort, beschäftigte sich aber ausführlich mit der kleinen Tamara. Alle am Tisch bekamen es mit, natürlich auch Laurie. Jennifer war nett zu George, aber verliebt war sie nach wie vor in Laurie.
Immer wieder kamen die Goodwins zu Besuch, um etwas auszumessen oder um Bauunternehmern, Architekten, Ingenieuren und Sachverständigen das Gelände zu zeigen. Allerdings tauchte George wesentlich öfter auf als sein Vater und übernahm im Laufe der Zeit das ganze Projekt. Nun sah Rosaleen eine reelle Chance, Laurie zurückzugewinnen.
Eines Abends belauschte sie, wie George mit Jennifer flirtete und versprach, Sonne, Mond und alle Sterne für sie vom Himmel herunterzuholen. Auch er war Jennifers Charme erlegen, mit dem sie die Menschen und vor allem die Männer umgarnte – sie verströmte diese Aura und merkte nicht einmal, wie viele Leben sie damit ganz nebenbei zerstörte. Doch Jennifer wies George Goodwins Avancen zurück. Sie sagte ihm, dass sie ihn sehr nett und liebenswürdig fand – aber weiter nichts.
Für Rosaleen stellte sich die Situation allerdings ganz anders dar.
Laurie fand sie in der Spülküche, wie sie sich die Augen ausweinte. Zuerst weigerte sie sich, ihm zu sagen, was los war, denn sie wollte ihn nicht verletzen. Es ginge sie nichts an. Jennifer sei ihre Freundin. Aber er entlockte ihr Stück für Stück, was sie gesehen hatte. Sie fühlte sich schlecht, weil sie in seinen Augen sah, wie weh es ihm tat. So schlecht fühlte sie sich, dass sie es beinahe auf der Stelle wieder zurücknahm, aber dann ergriff er ihre Hand und drückte sie, nahm sie in den Arm und sagte ihr, was für eine gute Freundin sie ihm immer gewesen war und dass er das oft nicht genügend gewürdigt hatte. Wie konnte sie jetzt noch etwas zurücknehmen?
Die Auseinandersetzung zwischen Laurie und Jennifer war lang und heftig. Rosaleen ließ die beiden die Sache unter sich ausfechten, und die Worte, die sie sich gegenseitig an den Kopf warfen, richteten mehr Schaden an, als Rosaleen es jemals gekonnt hätte. Laurie verriet Jennifer nicht, dass Rosaleen ihm von dem Gespräch mit George erzählt hatte, und Rosaleen war froh darüber. In dieser Nacht schlief Jennifer im Torhaus, denn Laurie wollte sie nicht in seiner Nähe haben. Rosaleen ließ gerne zu, dass sie sich an ihrer Schulter ausweinte, und gab ihr laue Ratschläge.
Als sie später – zufrieden mit dem Streit, den sie so geschickt angezettelt hatte – im Schloss die Küche aufräumte, brachte Jennifer ihr einen Brief mit der Bitte, ihn Laurie zu geben. Rosaleen versprach es, las den Brief aber heimlich, und obwohl sie kaum jemals weinte, kamen ihr die Tränen. Sie beschloss, den Brief zu verbrennen. Doch in dem Moment, als er Feuer fing, kam das Kind herein – das kleine Mädchen, das seinem Vater so schockierend ähnlich sah. Erschrocken versuchte Rosaleen das Papier wieder zu löschen und warf es dann
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