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Ich schreib dir morgen wieder

Titel: Ich schreib dir morgen wieder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cecilia Ahern
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    Das kleine Mädchen
    Es war einmal ein kleines Mädchen, das lebte mit seiner Familie in einem kleinen Haus. Sie war das jüngste Kind und hatte eine sehr kluge große Schwester und einen großen Bruder, der so gut aussah, dass sich wildfremde Leute auf der Straße nach ihm umdrehten und ihn in ein Gespräch zu verwickeln versuchten. Das kleine Mädchen war das, was man landläufig einen Unfall nennt. Für ihre Eltern, die mit dem Kinderkriegen eigentlich längst abgeschlossen hatten, war sie nicht nur ungeplant, sondern unerwünscht gewesen, und das wusste sie auch. Seit dem letzten Baby waren zweiundzwanzig Jahre vergangen, und mit siebenundvierzig Jahren war ihre Mutter nicht auf die Ankunft eines weiteren Kindes vorbereitet. Ihre Kinder waren erwachsen und aus dem Haus; ihre Tochter Helen arbeitete als Lehrerin in Cork, und ihr Sohn Brian war nach Boston gezogen und hatte dort eine gute Stelle als Computerfachmann. Beide kamen nur selten nach Hause. Für Brian war es zu teuer, und in den Ferien fuhr die Mutter lieber selbst nach Cork. Für das kleine Mädchen waren diese beiden großen Geschwister wie Fremde, denn sie sahen sich fast nie und kannten sich kaum. Die Kinder der beiden waren älter als das kleine Mädchen. Die kleine Nachzüglerin war zu spät gekommen, sie hatte die Zeit verpasst, in der die anderen ihre Verbindung zueinander aufgebaut hatten.
    Der Vater des kleinen Mädchens war der Jagdgehilfe des Anwesens von Kilsaney Castle, das direkt gegenüber von ihrem Haus lag. Ihre Mutter arbeitete dort als Köchin. Das kleine Mädchen war stolz auf die Stellung ihrer Familie, über der immer der Abglanz des Schlosses lag, und für die Kinder in der Schule gehörte sie fast dazu. Sie genoss es, in Dinge eingeweiht zu sein, von denen sonst niemand etwas wusste. An Weihnachten gab es herrliche Geschenke, sie durften die Reste der köstlichen Gerichte verzehren, sie durften die Stoffe und Tapeten verbrauchen, die bei Renovierungen oder Entrümpelungen übrig blieben. Natürlich war das Anwesen für die Öffentlichkeit nicht zugänglich, aber das kleine Mädchen durfte innerhalb der Mauern spielen. Das war eine große Ehre, und sie bemühte sich, wo sie konnte, der Familie im Schloss einen Gefallen zu tun – sie half bei der Hausarbeit und machte sich auch als Nachrichtenübermittlerin ihrer Mutter nützlich, indem sie zu ihrem Vater Joe und zu Paddy, dem Verwalter und Gärtner, lief, um sie zu informieren, was man an diesem Tag an Wildbret und Gemüse brauchen würde.
    Sie liebte die Tage, an denen sie das Schloss betreten durfte. Wenn sie krank war und nicht zur Schule, aber auch nicht allein zu Hause bleiben konnte, durfte ihre Mutter sie mit zur Arbeit bringen, weil Mr und Mrs Kilsaney wussten, dass es für das kleine Mädchen keine andere Bleibe gab und dass niemand außer ihrer Köchin sie so gut bekochte – und das, obwohl das Geld Jahr für Jahr knapper wurde. Dann saß das kleine Mädchen still in einem Eckchen der großen Küche und schaute zu, wie ihre Mutter den lieben langen Tag am heißen Herd über dampfenden Töpfen schuftete. Die Kleine war nie ungezogen, aber sie beobachtete alles ganz genau. Wie ihre Mutter kochte – und auch, was im Haus sonst noch alles vor sich ging.
    Sie beobachtete, wie Mr Kilsaney sich, wenn eine Entscheidung anstand, ins Eichenzimmer zurückzog und, die Hände auf dem Rücken verschränkt, die Porträts seiner Ahnen anstarrte, die würdevoll aus ihren riesigen Ölgemälden mit den kunstvollen Goldrahmen auf ihn herabblickten. Irgendwann verließ er das Zimmer dann hocherhobenen Hauptes, energiegeladen wie ein Soldat, der sich gerade einen Vortrag seines Feldwebels angehört hat.
    Das kleine Mädchen beobachtete auch, wie vernarrt Mrs Kilsaney in ihre neun Hunde war, wie sie ihnen hektisch durchs ganze Haus nachrannte, sie einzufangen versuchte und in dem ganzen Durcheinander kaum etwas anderes zur Kenntnis nahm. Ihre gesamte Aufmerksamkeit wurde von den Hunden in Anspruch genommen, vor allem von einem stets zu Streichen aufgelegten Spaniel namens Messy, der sich nicht trainieren ließ und so gut wie nie gehorchte. Mrs Kilsaney hatte keine Augen für ihre beiden kleinen Söhne, die durch die Korridore tobten, um ihre Mutter auf sich aufmerksam zu machen, und es entging ihr auch, dass ihr Ehemann eine ausgeprägte Vorliebe für das nicht sonderlich attraktive Dienstmädchen Magdalene entwickelte, das beim Lächeln einen schwarzen Zahn entblößte und sehr viel

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