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Ich übe für den Himmel

Ich übe für den Himmel

Titel: Ich übe für den Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patmos
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Tücher, komische Hosen mit Hosenträgern, Hütchen und natürlich ihre Musikinstrumente. Am liebsten mögen die Kinder den bemalten Koffer mit den vielen Sternen, der Sonne und dem Mond. Ich bin mir sicher, sie nehmen diesen Koffer heute mit.
    Mama und Papa haben vier verschiedene Koffer:
    Einen aus Pappe, den Oma mit in die Ehe gebracht hat. Oma arbeitete ganz früher als Haushaltshilfe bei reichen Leuten an der Elbchaussee. Mehr als das, was im Pappkoffer war, besaß Oma nicht, als sie zu Opa in das kleine Fischerhaus einzog. Sie hatte fast immer für ’nen Appel und ’n Ei, wie sie sagt, in den großen Villen in der Küche geschuftet, von früh bis spät. Das war damals so. Es gab in den Häusern Essen und Trinken und eine Schlafstelle. Zu Weihnachten ein Kleid, das die Gnädigste nicht mehr mochte. Das war’s.
    Opa war es egal, ob Oma mit oder ohne Aussteuer kam. Hauptsache, seine Allerliebste zog endlich zu ihm ins windschiefe Häuschen mit den sieben Kammern.
    Dann gibt es den Lederkoffer. Irgendwann hat Papa den alten Lederkoffer auf einem Flohmarkt unten am Hafen gekauft. Eigentlich ist es eine Tasche, eine rundliche, braune Ledertasche, wie sie die Ärzte früher mit sich herumschleppten, wenn sie Hausbesuche machten.
    Den selbst bemalten Koffer mit Sonne, Mond und Sternen und einen Kinderkoffer mit aufgeklebten Bärchen haben meine Eltern fast immer bei sich, wenn sie ins Krankenhaus fahren.
    »Du solltest die Federn einpacken«, ruft Eddie hinter Papa her, aber der rennt schon durch das hohe Gras und die vielen Blumen auf unser Häuschen zu. Mama steht in der Tür, den dunkelblauen Himmelskoffer in der Hand. Sie hört gar nicht richtig hin.
    »Tschüss ihr beiden, macht’s gut!«
    Zum Glück sagen sie, wenn sie gehen, nie: »Macht keinen Mist.« Mama und Papa sind schon in Ordnung. Wir aber auch, Eddie und ich. Finde ich wenigstens.

Vier
    Eddie und ich sitzen auf der Ladefläche von Tante Antje und reden über Tommy. Warum er wohl möchte, dass Mamamoma und Papapipo sofort kommen sollen. Mein Bauch sagt mir, es muss ihm ganz furchtbar schlecht gehen. Er hat selten gejammert, auch wenn ihm nach der Strahlen- und Chemotherapie hundeelend war und er sich dauernd übergeben musste. Der kranke Junge, habe ich Eddie erzählt, ist so alt wie er und muss viele Schmerzen aushalten. Mamamoma und Papapipo konnten ihn trotzdem zum Lachen bringen.
    Mama und Papa haben ihm mal erzählt, dass sie eine Tochter haben, die später auch Clown werden möchte. Da wollte er mich unbedingt kennenlernen.
    Jetzt versuche ich mir gerade vorzustellen, was meine Eltern für ihn in ihren Himmelskoffer eingepackt haben, und will eben meinen Bruder Eddie fragen, warum er wollte, dass sie Federn mitnehmen. Da stehen diese Osterhasen von nebenan wieder am Loch in der Hecke und glotzen. Was wollen die denn schon wieder?
    »Waren diese komischen Typen mit dem bescheuerten Koffer eure Eltern?«, quäkt der Junge. Seine Stimme hört sich fies an.

    Ich überlege fieberhaft, wie ich ihm antworte. Dann hab ich’s!
    »Mit den Antennen da auf deinem Hirn braucht ihr bestimmt keine Fernsehgebühren zu zahlen und du kannst ohne Handy telefonieren, wetten?« Eddie und ich müssen grinsen. Tut gut, dem Angeber mit Worten ans Schienbein zu treten. Er hat es gehört.
    »Dusselige Kuh. Wirst dich noch wundern! Ihr mit eurem Spasti-Fahrrad.«
    Meine Eltern haben mir immer wieder eingeschärft, ich soll mich mit niemandem prügeln, sondern lieber mit dem anderen reden. Okay, aber nun kriegt der Typ meine Hau-drauf-Sprache. Ich stelle mich hin und blicke von oben auf ihn herab, von der Ladefläche unserer dreirädrigen Tante Antje.
    »Du miese, kleine Ratte«, zische ich, »möchtest wohl, dass ich mich mit dir kloppe. Kannste haben. Auf der Stelle. Aber ich überlege vorher gründlich, ob ich mir die Hände dreckig mache an dem glitschigen Rotz in deiner Frisur. Hast dich wohl mit den Popeln aus der Nase deiner kleinen Barbie-Schwester frisiert!« Ich springe runter und lande perfekt mit beiden Füßen gleichzeitig auf dem kleinen Trampelpfad, genau neben unserer Wildblumenwiese, auf die wir alle so stolz sind. Bloß keine Blüten zertreten, überlege ich, während ich auf das große Loch in der Hecke zusteure.
    »Feigling, aufgeblasener Hahn, angefressene Sonntagstorte …«, schimpfe ich. Schade, mehr fällt mir nicht ein. Ich stehe vor ihm, stemme wütend meine geballten Fäuste in die Taille.
    »Komm doch rüber zu den Spastis, wenn du dich

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