Ich übe für den Himmel
ihm empfohlen, seinem nasebohrenden Schwesterlein ein Glas Popel auf St. Pauli zu kaufen, sonst bricht sie sich die Finger ab.« Ich ziehe mein Clownsgrinsen aus der Trickkiste. Hilft nicht. Opa bleibt ernst.
»Das war kein guter Anfang.«
»Die haben aber angefangen uns zu beleidigen«, versuche ich mich halbherzig zu verteidigen. Ich weiß, gegen Opa und seinen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn komme ich nicht an.
»Wo sich zwei streiten, haben zwei Schuld.«
»Weiß ich.«
»Wie heißen die beiden denn?«
Ich zucke mit den Schultern.
»Na, so was, wollt euch hauen und wisst noch nicht mal voneinander, wie ihr heißt.«
»Soll ich mich etwa erst vorstellen und sagen: Hallo, ich bin die Isha, und ihm dann Peng eine runterhauen?«
»Manieren haben die Kinder heutzutage«, grummelt Opa, »kannst ihn wenigstens mal fragen, wie er heißt. Das lockert das Ganze beim nächsten Treffen auf. Wo kommen sie denn her?«
»Keine Ahnung, aber nicht aus Hamburg. Sie sprechen so mit Singsang.«
»Siehste, vielleicht haben sie ihren Lieblingsort, ihre dicksten Freunde verlassen müssen. Und eine nette Schulklasse.«
»Opa, kommst du denn vom Mond? Solche Typen haben todsicher keine Freunde.« Mehr fällt mir dazu nicht ein. Ich schiebe meine rote Nase zwischen die Augen auf die Stirn. Jetzt ist die Nase mein drittes Auge. Manchmal hilft mir das beim Nachdenken.
»Wieso bist du dir so sicher?«
»Bin ich eigentlich nicht.«
»Na, also. Wie habt ihr euch kennengelernt?«
»Sie standen am Loch in der Hecke, in ihrem Garten.«
»Und Guten Tach war nicht drin?«
»Nee.«
»Junge, Junge, keine Manieren heutzutage. Also ich würde nächstes Mal mit Moin Moin oder Tach auch anfangen. Und nachfragen, wo sie herkommen und wie sie heißen. Abgemacht?«
Mit der Clownsnase wieder mitten im Gesicht krabbele ich von Tante Antje runter. Ich schlage Rad, tänzele auf den Händen vor Opa hin und her und pfeife währenddessen ›O Tannenbaum‹. Alles umsonst.
»Ich meine es wirklich ernst«, sagt er.
»Clowns meinen es auch ernst«, sage ich und grinse Opa wieder an, immer noch kopfüber. Ich will nicht gleich nachgeben. Als ich wieder auf den Füßen stehe, boxt Opa mich freundschaftlich in die Seite.
Und das ist der Auftakt zu meiner Supernummer: Scheinboxen. Boxen mit einem Gegner, den es gar nicht gibt. Ich hüpfe, springe, tanze und dribble, schlage und boxe um mich und von mir weg gegen meinen Feind, den Großen Gefährlichen Unsichtbaren. Ich ziele genau auf die Punkte, die ihn k. o. machen können! Ich lasse mich nicht ablenken und mein Oberkörper wiegt gefährlich und bedrohlich von links nach rechts und von vorne nach hinten. Mein Rücken ist angespannt wie eine Feder, die Fäuste zum Ausholen bereit … Jetzt, jetzt ist der Moment für den gezielten Linkshaken da! Schon kommt sie, die gefährliche Linke und schlägt gnadenlos zu …
Eddie und Opa feuern mich an.
»Gib ihm eins auf die volle Zwölf!«
»Mach ihn fertig, Isha!«
Das mache ich, und wie! Wumm! Wumm! Auf die volle Zwölf. Geschafft! Der Schweiß rinnt mir den Rücken runter und ich bücke mich, um dem geschlagenen Feind ins verquollene Gesicht zu sehen. »Eins – zwei – drei – vier –«
»Doing!«, schreit Opa.
»Gewonnen!«, ruft Eddie und hopst begeistert auf Tante Antjes Ladefläche auf und ab.
Im Scheinboxen bin ich Champion. Weltmeister und Weltmeisterin. Alles zusammen, ich, die feuerrote Isha aus der Fischerkate.
Fünf
Nach dem Essen sitzen wir gemütlich mit Oma und Opa auf der abgeblätterten Gartenbank, und keine Gaffer in Sicht am Heckenloch auf der anderen Seite.
Friede, Freude, Eierkuchen also, bis das Telefon läutet.
»Ich geh ran!« Eddie springt auf.
»Sag mir Bescheid, wenn ich helfen soll«, rufe ich Eddie nach, denn er kann noch nicht so schnell aufschreiben, was ungeduldige Leute meistens diktieren.
»Da an eurem Spionageloch stehen also die Neuen«, fängt Opa wieder an und zeigt auf die Lücke.
»Stimmt«, antworte ich, »bis ihr gekommen seid. Und vorhin habe ich sie durch den Garten flitzen sehen.«
»Dürfen sie das nicht? Ist ja doch ihr Garten, wirst dich dran gewöhnen müssen.«
»Dann machen wir das Loch in der Hecke zu.«
»So schnell wächst nicht nach, was ihr weggehackt habt.«
»Nun sei mal nicht so streng mit die Kinners, Hinnerk«, sagt Oma.
Eddie steht vor uns. »Hier, für dich, Isha, Papa will mit dir sprechen.« Eddie ruft sonst immer durch das Küchenfenster, wenn da ein Anruf für
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