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Ich und andere uncoole Dinge in New York

Ich und andere uncoole Dinge in New York

Titel: Ich und andere uncoole Dinge in New York Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia K. Stein
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eine tolle Programmiererin bist und ich kenne da ein paar Leute …“, mischt sich Dave ein.
    „Ach“, sage ich, weil mir schon wieder nichts Besseres einfällt.
    „… und ich habe ein bisschen telefoniert und jetzt kannst du dort ein Praktikum machen!“ Beide strahlen mich an.
    Ich bin sprachlos. Wie kommen sie denn auf die Idee, dass ich ein Praktikum machen will?
    „Ich kann nicht programmieren.“
    Dave und meine Mutter sehen verwirrt aus. Sie kennen den Unterschied zwischen „Computerspiele spielen“ und „programmieren“ offenbar nicht.
    „Dir wird es gefallen. Schätzchen, wir sind auch müde und du musst ja schon halbtot sein. Komm, Dave, lass uns gehen.“ Und nach einer Flut von sinnlosen Ermahnungen und Ratschlägen brechen sie tatsächlich auf zu Dave, der in Soho wohnt. „Das ist nicht weit ist, kannst ja morgen mal vorbeikommen!“ Und sie lässt mich zurück. Ich bin seit achtzig Stunden wach – zumindest gefühlte. Es bringt nichts, sich aufzuregen.
    „So“, sagt Rachel, als die Tür ins Schloss gefallen ist, „ich muss jetzt ausgehen. Du willst bestimmt schlafen.“
    Das stimmt. „Nein“, sage ich trotzdem. „Ich bin gar nicht müde“, lüge ich noch mal in aller Deutlichkeit. Rachel soll sich mal nicht so aufspielen. Kann ich was dafür, dass ihr Onkel mich bei ihr einquartiert hat?
    „Hast du eine fake ID dabei?“
    „ Fake ID?“
    „Einen gefälschten Führerschein oder einen Pass, demzufolge du einundzwanzig Jahre alt bist.“
    Ich schüttele den Kopf. „Nee, ich bin ja erst sechzehn.“
    Rachel rollt mit den Augen. „Deshalb muss es ja auch eine gefälschte ID sein. Du musst dir eine besorgen, sonst kommst du nirgendwo rein und kannst nichts trinken. Ich muss jetzt los. Du willst wirklich mit?“, fragt sie skeptisch.
    Ich nicke tapfer. „Na klar. Ich bin ja nicht zum Schlafen hierher gekommen.“
    „Gut. Benjamin kennt die Typen an der Tür. Wir bekommen dich schon rein. Aber ich bin nicht dein Babysitter.“ Also davon, dass alle Amerikaner angeblich wahnsinnig freundlich und oberflächlich sein sollen, merkt man bei Rachel wirklich nichts. Auf der Straße winkt Rachel mit steif ausgestrecktem Arm ein Taxi herbei. Ich habe mich noch schnell abgeduscht und umgezogen und hoffe, dass mein Vanille-Parfum den muffeligen Flugzeug-Geruch in meinen Haaren vertuscht. Inzwischen ist es dunkel und zum Glück hat ein kühler Regen eingesetzt. Kurze Zeit später rennen wir geduckt zur Eingangstür des Boar Club, der wahnsinnig angesagt ist, wie Rachel mir unterwegs versichert hat, und werden von einer Wolke aus Bier und Aftershave empfangen. Rachel wedelt mit ihrer ID. „Ist Benjamin Greenewald schon da?“ Der Türsteher zuckt mit den Schultern und sie zerrt mich schnell an ihm vorbei.
    „Ich kauf’ uns ein Bier“, sagt Rachel, lässt mich stehen und drängelt Richtung Bar. Sie glaubt wahrscheinlich, dass sie mir einen r iesigen Gefallen tut, weil ich Deutsche bin und deshalb Bier lieben muss, und ich habe keine Lust sie aufzuklären, dass ich nie Bier trinke und das Oktoberfest ebenfalls nur vom Hörensagen kenne. Oder sie will mich einfach nur loswerden. Das ist wahrscheinlicher. Ich lehne mich an die Wand und warte. Ich bin schließlich cool und brauche niemanden, der sich um mich kümmert. In Dinslaken ist man einsam, wenn man allein rumsteht. Aber hier kennt mich ja niemand, ich könnte also durchaus cool sein. Schließlich hat hier auch niemand die unglaubliche Dauerwelle gesehen, die ich mir in der siebten Klasse gemacht habe, oder die Pickel, die ich hatte, bevor ich mir vom Hautarzt die Salbe geholt habe, von der die Pickel tatsächlich weggingen, auch wenn sich mein Gesicht ungefähr einen Monat lang unentwegt geschält hat. Es war definitiv kein mildes Anti-Pickel-Mittel. Aber vor allem hat niemand gesehen, wie dieses Mittel bei Schwarzlicht reflektiert hat, so dass auf der Schulparty, als ich endlich rumknutschen wollte, Tobi, mit dem ich knutschen wollte, mich nur schockiert angestarrt hat, weil alle Pickel im Dunkeln weiß leuchteten und ich aussah wie ein Zombie. Das anonyme Großstadtleben hat in jedem Fall Vorteile.
    Zwei großbusige Mädels in Cowboy-Hüten und Jeansshorts, aus denen ihre Pobacken rechts und links herausquellen, feuern die Besucher mit Megafonen an, mehr Tequila zu kaufen.
    „Willst du was trinken?“, fragt plötzlich jemand auf Deutsch.
    Ich blicke auf das Glas, das vor mir aufgetaucht ist, und dann auf den, der es hält. Der Typ sieht

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