Ich und andere uncoole Dinge in New York
paar Tasten und steckt es wieder in seine Jeans zurück. Als ihn jemand anrempelt, entschuldigt er sich, obwohl es ja gar nicht seine Schuld ist. Dann blickt er suchend durch die Menge und sieht irgendwie total verloren aus.
„Na, ist er nicht süß?“
Ich zucke zusammen. Neben mir steht Rachel.
„Na, dein neuer Bekannter Peter, megaknuddelig. Vielleicht nehme ich den.“
„Nehmen? Wofür?“
Sie rempelt mich so fest von der Seite an, dass es weh tut. „Für das Sommerprojekt natürlich! Wir müssen los, es ist schon fast zwei.“ Rachels Augen sind weit aufgerissen. Sie ist voll. „Da ist Benjamin“, lallt sie und winkt wieder dem Pseudo-Tom-Cruise, den ich vom Foto aus der Wohnung kenne. In plötzlicher Eile verlassen wir den Club. Als ich mich umdrehe, sehe ich noch, wie Peter an die Wand gelehnt raucht. Ich hebe meine Hand, aber er sieht mich nicht und so drehe ich mich schnell zurück. Rachel murmelt irgendetwas von einer möglichen Kirschsaft-Allergie und sieht plötzlich ziemlich elend aus. „Hey, du bist Judith, nicht wahr“, sagt Benjamin, der uns nachgekommen ist, während er auf der vom Regen polierten Straße ein gelbes Taxi heranwinkt. „Schön dich zu treffen. Hast du dich amüsiert?“ Er scheint sich nicht wirklich für meine Antwort zu interessieren, sonst würde er nicht die ganze Zeit in seinen Blackberry tippen.
Ich nicke. „Klar“, sage ich.
„Du hast einen süßen Akzent“, sagt er, ohne den Blick auch nur für eine Nanosekunde von seinem Blackberry abzuwenden. Keine Ahnung, wie er das beurteilen will, nachdem er genau ein Wort von mir gehört hat. Rachel und ich sitzen hinten. Rachel klebt dicht an mir dran und spricht so nah in mein Gesicht, dass jedes ihrer Worte von einer lauwarmen Kirschwolke begleitet wird.
„Es war so einfach, mit ihm zu reden“, schreit sie, offensichtlich bemüht, leise zu sprechen, aber unfähig, die Lautstärke ihrer eigenen Stimme richtig einzuschätzen.
„Ja, er war nett“, sage ich und versuche, die Augen zu schließen. Für einen kurzen Moment muss ich an die vielen ungewaschenen Haare von Hunderten New Yorkern denken, die sich vor mir gegen den Taxirücksitz gedrückt haben. In so einer Stadt muss es einfach viel mehr Bazillen geben als in Dinslaken.
„Irgendwie war er so, als könnte man ihm alles erzählen. Weißt du, was ich meine?“, fragt Rachel und drückt meinen Arm. Ich weiß, was sie meint. Schließlich hätte ich mich auch gern länger mit ihm unterhalten. Wir fahren über ein Schlagloch und Rachels Kopf wird heftig gegen die Rückenlehne geworfen. „Mir ist schlecht“, sagt sie und dreht ihren Kopf mit einem Ruck zu mir. Ich schiebe sie vorsichtig in die andere Richtung, damit sie nicht auf mich draufkotzt. „Du kannst ihn haben“, sagt sie dann theatralisch, „du hast ihn zuerst gesehen.“
„Rachel, du bist blau.“
Sie kneift mir in den Arm und kichert hysterisch, als wäre sie wahnsinnig geworden.
„Aua, das ist zu fest.“
„Gut, dann nehme ich ihn“, gluckst Rachel.
Zu Hause angekommen spült Rachel die Vodka-Kirschsaft-Drinks die Toilette herunter und schwört, niemals in ihrem gesamten, zukünftigen Leben wieder Kirschen zu essen. Also echt. Und ich dachte, bei den Amerikanern wäre Alkohol erst mit einundzwanzig erlaubt. Die sind komisch, die Amis.
Faking it
Als wir am Montag aus der Wohnung kommen, um zu Scirox zu fahren, blinzele ich überrascht in die strahlende Sonne, von der man in der Wohnung nichts gemerkt hat. Überall werden dicke Metallgitter hochgezogen, die blankgeputzte Fensterscheiben freilegen. Rachel sieht mit ihrer riesigen Sonnenbrille aus wie eine Stubenfliege, zugegebenermaßen wie eine coole Stubenfliege. Sie sieht immer cool aus, aber so, als hätte sie nicht eine Sekunde über ihr Styling nachgedacht, so dass ich mir konstant wie ein Landei vorkomme. Vielleicht liegt es daran, dass ich eins bin. Ich bin schon seit sechs Uhr wach und fühle mich topfit. Morgens ist ein Jetlag praktisch. Ich werde mir Scirox mal ansehen, habe ja auch sonst nichts vor und Rachel hat mir erzählt, dass sogar die Praktikanten ein paar Hundert Dollar im Monat bekommen. Die kann ich in New York unbedingt gebrauchen. Je mehr Treppen wir zum Subway hinunterlaufen, umso heißer wird es, als würden wir uns dem Erdzentrum nähern. Als wir uns endlich in das überfüllte Abteil pressen, sind meine schwarze Hose und die weiße Bluse schon durchgeschwitzt. Rachel trägt Jeans und ein Fan-T-Shirt von
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