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Ich und er und null Verkehr

Ich und er und null Verkehr

Titel: Ich und er und null Verkehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Schneyder
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sagt er zu
dem Kellner, der mit einer unterwürfigen Verbeugung davonwieselt.
    Â»Ich denke, ich werde den Hummer Thermidor nehmen«, meint er dann
nach einer kleinen Nachdenkpause. »Und als Vorspeise einen Krabbencocktail. Und
Sie?«
    Hummer wäre gut, den habe ich auch noch nie gegessen. Andererseits
habe ich keine Ahnung, wie man den isst, und aus Filmen weiß ich, dass es
ziemlich peinlich werden kann, wenn Teile des Panzers wie Querschläger durch
den Raum pfeifen.
    Â»Hm, ich weiß nicht, ich hätte Lust auf … Fleisch.« Genau, da kann
nicht viel schiefgehen. Fleisch, das ist ein elastisches Teil, von dem man sich
kleine Stückchen abschnippelt. Und niemand wird dabei verletzt.
    Â»Dann versuchen Sie doch das Pfefferfilet mit Sauce béarnaise«,
schlägt Steffen vor.
    Â»Oh, ja, das klingt interessant«, nicke ich.
    Â»Und als Vorspeise?«
    Â»Auch einen Krabbencocktail?«
    Â»Sehr gut.«
    Der Kellner kommt und serviert den Champagner. Steffen bestellt das
Essen in vollendetem Französisch – zumindest klingt es für mich so –, dann
erhebt er sein Glas und sieht mir tief in die Augen. »Auf Sie, Sandra. Und auf
einen wundervollen Abend.«
    Ich fühle, wie meine Wangen erröten. »Ja, dann … auf einen … schönen Abend.« Ich nehme vorsichtig
einen Schluck.
    Hm, schmeckt gut. Wie … Sekt.
    Ich werfe unauffällig einen Blick durch den Raum. Wo Martin wohl
bleibt? Er muss meine SMS vor über einer Dreiviertelstunde erhalten haben, also
müsste er längst hier sein.
    Â»Sie werden sehen, das Pfefferfilet ist hier ausgezeichnet. Das ist
das einzige Restaurant, das dazu Kobe-Rind verwendet.«
    Â»Tatsächlich?«, sage ich beeindruckt.
    Kobe-Rind. Das habe ich schon mal gehört. Ich krame in meinem
Gedächtnis. Ah, jetzt fällt’s mir wieder ein. Es war ein Bericht im Fernsehen.
Da wurde gezeigt, wie gut es diesen Tieren geht. Die werden mit Bier gefüttert
und mit Reisschnaps massiert, darum ist das Fleisch auch so zart. Ich kann mich
noch genau erinnern, da war so ein alter, zahnloser Japaner, der nahm einen
kräftigen Schluck aus einer Flasche, dann spuckte er den Schnaps auf das
Rindvieh und massierte es kräftig.
    Na, bravo! Ich bekomme ein Stück Fleisch, auf das ein zahnloser
Japaner gespuckt hat! Für einen Moment muss ich gegen meine aufkommende
Übelkeit ankämpfen, und ich nehme sicherheitshalber einen ordentlichen Schluck
Champagner.
    Â»So, jetzt erzählen Sie mal, Sandra«, sagt Steffen und betrachtet
mich interessiert. »Wie sieht eigentlich Ihr literarischer Hintergrund aus?«
    Mist. Ich wusste doch, dass er das Thema
anschneiden wird. »Hintergrund? Was genau meinen Sie damit?«, frage ich zurück,
um Zeit zu gewinnen.
    Â»Welche Bücher lesen Sie so? Ich meine, Sie werden sich doch nicht
nur mit Kinderbüchern beschäftigen?«
    Â»Oh, nein, durchaus nicht.« So, jetzt heißt es aufpassen. Ich muss
irrsinnig klug und belesen wirken. »Also, einer meiner Favoriten ist Der kleine Prinz von Saint-Exupéry«, sage ich und achte
dabei auf eine elegante Aussprache.
    Â»Ja, der kleine Prinz«, meint Steffen schwärmerisch. »Ein zeitloser
Klassiker, der durch seine tiefe Aussage über Generationen …«
    Â»Genau, das fasziniert mich auch so«, falle ich ihm gleich ins Wort,
damit er keine weiteren Fragen zu diesem Buch stellen kann. »… die tiefe Aussage. Außerdem bin ich ein
Fan von Goethes Faust und Orwells 1984 .
Und Animal Farm natürlich.«
    Steffen nickt beeindruckt. »Sie mögen also hintergründige
Literatur?«
    Â»Oh, ja, ohne Hintergrund geht bei mir gar nichts«, erkläre ich und
gucke so, als wüsste ich, wovon ich da rede.
    Â»Und von den zeitgenössischen Werken, welche gefallen Ihnen da?«
    Zeitgenössisch? Öhm, was gibt es da an Klassischem, was ich gelesen
hätte? Ich krame verzweifelt in meinem Gehirn. Außer Frauenzeitschriften gibt
es da nicht viel, und die meint er ja wohl nicht. Ah, ich hab’s.
    Â»Das Parfum« , sage ich hastig. Das habe
ich zwar nicht gelesen, aber ich habe den Film gesehen. Und das zählt doch auch
irgendwie, oder nicht?
    Â»Oh, ja, ein ganz hervorragendes Buch«, stimmt er mir zu. »Jetzt bin
ich neugierig: Was war für Sie die eigentliche Aussage der Geschichte?«
    Eigentliche Aussage? Was weiß ich?

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