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Ich und er und null Verkehr

Ich und er und null Verkehr

Titel: Ich und er und null Verkehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Schneyder
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übermenschlicher Anstrengung gelingt es mir, den rechten
Arm zu heben und auf meine linke Brust zu zeigen.
    Â»Hm«, brummt Dr. Schwarz.
    Dann reißt er mir mit ein paar schnellen Bewegungen die Elektroden
von der Brust. Was tut er denn da? Will er mich etwa aufgeben? Weil er erkannt
hat, dass das alles sinnlos ist? Dass für mich ohnehin keine Hoffnung mehr
besteht?
    Mit angstgeweiteten Augen verfolge ich, wie er einen anderen Apparat
zu sich heranzieht. Er greift sich eine Tube und klatscht ein scheußlich kaltes
Gel auf meine Brust. Dann nimmt er ein kleines Gerät, das aussieht wie eine
Computermaus, und legt es auf meine Brust.
    Oh, gut, das kenne ich von den Vorsorgeuntersuchungen. Das ist ein
Ultraschallgerät. Hat er mich also doch noch nicht aufgegeben.
    Dr. Schwarz fährt suchend auf meinem Körper auf und ab, und es
kitzelt fürchterlich. Dann erscheint plötzlich mein Herz auf dem Bildschirm.
Sehr gut, es schlägt noch, wie ich aus den Augenwinkeln sehen kann. Babumm,
babumm, babumm.
    Sieht eigentlich gar nicht so schlecht aus für einen schweren
Infarkt, finde ich.
    Dann drückt Dr. Schwarz auf einen Knopf, und als mein Blick wieder
auf den Bildschirm fällt, erstarre ich.
    Mein Herz! Es hat aufgehört zu schlagen!!
    Bewegungslos verharrt es auf dem Bildschirm, und seltsam, Dr.
Schwarz scheint das gar nicht zu kümmern. Verdammt noch mal, der soll etwas
tun, mich reanimieren, mit Elektroschocks, wie in den Filmen, wenn der
behandelnde Arzt diese beiden Bügeleisen aneinanderreibt und schreit:
»Zurücktreten!«, oder wenigstens Mund-zu-Mund-Beatmung machen!
    Wobei, der Gedanke, dass er mit seinen bärtigen Lippen … Jetzt wird mir auch noch schlecht.
    Aber Dr. Schwarz tut nichts dergleichen. Stattdessen drückt er
wieder auf ein paar Knöpfen herum, und auf dem Bildschirm erscheinen kleine
Pfeile über meinem regungslosen Herz.
    Â»Also, die Herzwandstärke ist die eines Elefanten«, stellt er fest
und scheint ganz zufrieden damit.
    Was nützt mir denn die Herzwandstärke, wenn es sich nicht bewegt?
    Es gibt auch tote Elefanten!!
    Ich wundere mich, dass ich nicht schon längst in Ohnmacht gefallen
bin, da drückt Dr. Schwarz wieder auf einen Knopf, und auf einmal: Babumm,
babumm, babumm.
    Mein Herz! Es schlägt wieder! Ich lebe!!
    Noch.
    Jetzt sollte er aber allmählich etwas unternehmen, finde ich. Ewig
werde ich das nicht aushalten, Elefantenherz hin oder her. Allein die Angst
macht mich gleich wahnsinnig.
    Aber Dr. Schwarz denkt gar nicht daran. Stattdessen brummt er:
»Setzen Sie sich mal auf, Herr Dr. Becker.«
    Aufsetzen? Ja, wie denn? Ich fühle mich total schwach, und könnte
diese Anstrengung nicht …?
    Als Dr. Schwarz mein Zögern sieht, packt er meine Hand und zieht
mich einfach hoch. Donnerwetter, ist der kräftig. Stemmt wohl Gewichte in
seiner Freizeit. Nur mit äußerster Mühe gelingt es mir, mich aufrecht zu
halten, und ich bebe vor Angst, dass mein Herz jeden Moment endgültig aussetzen
könnte. Dr. Schwarz tritt hinter mich – und plötzlich durchläuft mich ein
derart heftiger Schmerz, dass ich laut aufschreie.
    Was tut dieser Mann da? Erdolcht er mich von hinten, um mein Leiden
zu verkürzen? Ist das eine Art Billiglösung, um die maroden Krankenkassen zu
sanieren? Oder ist er wie dieser Dr. Voss aktives Mitglied im
Rechtsanwaltshasserclub?
    Â»Wie fühlt sich das an?«, fragt der Sadist dann auch noch
scheinheilig.
    Â»Wie sich das anfühlt?«, schreie ich und wundere mich, wie kräftig
meine Stimme plötzlich klingt. »Das tut weh!«
    Â»Dachte ich mir schon«, meint er unerschütterlich. »Und hier?«
    Wieder breitet sich heftiger Schmerz sternförmig auf meinem Rücken
aus.
    Â»Aahh!«, entfährt es mir, und jetzt habe ich mitbekommen, was er da
macht. Er bohrt mir seinen dicken Daumen in den Rücken! Anscheinend findet er
es lustig, einen Todgeweihten auch noch zu quälen.
    Â»Alles klar«, tönt er plötzlich gut gelaunt und haut mir mit der
flachen Hand auf den Rücken, dass ich fast meine Zähne ausspucke. »Ihr Herz ist
kerngesund.«
    Ja, wie denn? Was denn? Kerngesund?
    Â»Sind Sie sicher?«, frage ich verblüfft. »Und woher kommen dann
diese Schmerzen? Mein linker Arm ist völlig taub – ich meine, das sind doch die
klassischen Symptome eines Herzinfarkts, oder

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