Ich und er und null Verkehr
nicht?«
»Das stimmt schon«, gibt er mir recht. Er steht jetzt wieder vor
mir. »Das sind ähnliche Symptome, aber die kommen von Ihren Verspannungen. Die
allerdings gewaltig sind.«
»Verspannungen?«, wiederhole ich ungläubig. »Sie meinen, ansonsten
bin ich ⦠gesund?«
»Klingt fast so, als wären Sie enttäuscht darüber«, meint Dr.
Schwarz lächelnd.
»Oh, nein, das ist groÃartig«, beeile ich mich zu sagen und stoÃe
ein völlig albernes Kichern aus. »Wirklich, ich bin erleichtert, total
erleichtert. Ich meine, gerade eben noch dachte ich, ich müsste â¦Â« Ich bringe das Wort gar nicht über
meine Lippen.
»â¦Â sterben?«, führt er
meinen Satz zu Ende.
»Ja.« Ich nicke nachdenklich und bewege dabei vorsichtig meinen
linken Arm. »Diese Schmerzen waren ⦠sind ziemlich heftig, und als ich mich
vorhin wegen einer beruflichen Sache aufgeregt habe, da fühlte es sich wirklich
an wie ⦠na, ja, so, wie man sich einen Infarkt eben vorstellt.«
»Das glaube ich Ihnen gern. Die Symptomatik verläuft ja auch
ähnlich. Wenn man sich aufregt, verstärkt das automatisch die Muskelspannung.
Da kann es schon vorkommen, dass sich plötzlich ein Taubheitsgefühl einstellt.
Und wenn die betreffende Person dann noch ein bisschen hypochondrisch veranlagt
ist â¦Â« Er zuckt mit den Schultern.
Wie bitte? Ich bin überhaupt nicht hypochondrisch veranlagt!
Schuld daran war eigentlich Henning. Hätte der nicht seine blöden
Andeutungen gemacht, wäre ich doch gar nicht auf die Idee gekommen â¦
Ach, was sollâs? Soll mich Dr. Schwarz doch für einen Hypochonder
halten. Ich bin gesund, und das ist das Einzige, was zählt. Mir gehtâs gut.
Fast jedenfalls.
»Können Sie etwas dagegen tun?«, frage ich. »Gegen die
Verspannungen, meine ich. Die sind ziemlich unangenehm.«
Dr. Schwarz legt nachdenklich den Kopf zur Seite. »Haben Sie Angst
vor Spritzen?«
Ich schüttle den Kopf. »Nein.«
»Okay.« Er geht zu einem Schrank und holt eine Spritze. »Dann gebe
ich Ihnen etwas Krampflösendes, das müsste fürs Erste helfen.«
Ich spüre kleine Stiche im Nacken und an der linken Schulter.
»Es wird eine halbe Stunde dauern, bis die Wirkung einsetzt«,
erklärt Dr. Schwarz. »Dann sind Sie wieder wie neu. Und in Zukunft sollten Sie
ein bisschen darauf achtgeben. Lockere Gymnastik könnte nicht schaden oder auch
mal eine Massage, wenn Sie besonders viel um die Ohren hatten. Aber wie gesagt,
um Ihr Herz müssen Sie sich keine Sorgen machen.« Er lächelt.
»GroÃartig. Ich danke Ihnen vielmals.«
»Kann ich sonst noch was für Sie tun?«
»Oh, ja, wenn Sie schon fragen: Könnte mir jemand ein Taxi rufen?«
Als ich die Kanzlei wieder betrete, bin ich in absoluter
Jubelstimmung. Vor einer Stunde noch dachte ich, mein letztes Stündchen hätte
geschlagen, und jetzt weià ich, dass ich vollkommen gesund bin. Die Spritze,
die Dr. Schwarz mir verabreicht hat, zeigt schon ihre Wirkung. Das Gefühl in
meinem linken Arm ist wieder zurückgekehrt, und der dumpfe Schmerz in der Brust
ist beinahe vollständig abgeklungen. Und ich habe das Herz eines Elefanten â
Moment mal, Elefanten haben dicke Hintern! â sagen wir, das Herz eines Löwen.
Ich fühle mich stark und unbesiegbar, und ich werde jetzt reinen Tisch machen.
Als Erstes werde ich Sandra anrufen. Ich werde mich bei ihr entschuldigen, und
ich werde ihr berichten, dass Philipp Arschloch-Streiff der Verräter war â¦
Beim Gedanken an Philipp fällt mein Blick durch die offene Bürotür
auf seinen Schreibtisch. Mein Buch liegt immer noch da.
Als ich es nehmen will, fällt mir sein Organizer ins Auge. Wie von
selbst wandert mein Blick hinüber zum Aquarium.
Sehen irgendwie traurig aus, die Fische. Die brauchen was zum
Spielen.
Ich grinse breit, als Philipps Organizer langsam auf den Grund des
Aquariums hinabgleitet und die Fische ihn neugierig umkreisen.
Ich werfe fröhlich mein Buch in den Karton, dann schnappe ich mein
Handy und verlasse das Büro.
Endlich frei.
Als ich im Lift bin, klappe ich das Handy auf.
Oh, eine Nachricht von Sandra. Das trifft sich ja gut. Ich wollte
sie ohnehin gerade anrufen. Wahrscheinlich will sie wissen, wie der Fall Lorenz
ausgegangen ist und wann ich nach Hause
Weitere Kostenlose Bücher