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Ich und er und null Verkehr

Ich und er und null Verkehr

Titel: Ich und er und null Verkehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Schneyder
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bin viel größer und stärker als die, die schaffe ich doch locker. Außer
vielleicht den einen mit der lila Zahnspange, der sieht ziemlich flink aus und
kann womöglich Karate …
    Aber halt, ich darf die nicht anrühren, das sind doch Kinder.
Gemein, bösartig und gnadenlos zwar, aber dennoch Kinder. Und ich kann sie auch
nicht anzeigen oder verklagen. Ich kann denen gar nichts tun. Absolut nichts!
    Ich bin denen völlig ausgeliefert!
    Wie verhält man sich in so einer Situation? Wie soll man die
bändigen? Und ich kann auch nirgendwo Hilfsmittel wie Handschellen oder
Zwangsjacken entdecken.
    Wie macht Sandra das?
    Ich sinke völlig frustriert auf meinen Stuhl nieder. Jetzt, wo ich
mich nicht mehr so aufrege, lassen sie wenigstens ein bisschen von mir ab und
gehen stattdessen aufeinander los. Dafür steht die kleine Aisha plötzlich von
ihrem Stühlchen auf und kommt auf mich zu.
    Oh, nein. Jetzt haben die anderen sie auch noch angesteckt.
Wahrscheinlich will sie ausprobieren, wie das ist: fies sein. Jetzt, wo der
olle Onkel fix und fertig ist, könnte sie ihm ja ihr kleines Fingerchen ins
Auge rammen oder ihm ein Nasenhaar ausreißen. Aisha bleibt vor mir stehen. Sie
sieht mich mit ihren großen, dunklen Augen an, und ich bin auf das Schlimmste
gefasst.
    Dann sagt sie: »Die sind ganz schön gemein zu dir.«
    Damit klettert sie auf meinen Schoß und kuschelt sich an meine
Brust. Eine Welle der Rührung durchläuft mich. Nach dem rücksichtslosen Terror
plötzlich diese Geste der Zuneigung von diesem kleinen Wesen. Ich zögere, dann
schließe ich langsam meine Arme um sie und genieße die Trost spendende Wärme
ihres kleinen Körpers.
    Ein paar Minuten später hebt sie ihr Köpfchen und sieht mir fragend
in die Augen. »Onkel Martin?«
    Â»Ja?«
    Â»Weinst du?«
    Â»Wie bitte? Ich? Weinen?« Ich wische mir hastig über die Augen und
quetsche ein Lachen hervor. »Nein, natürlich nicht, haha, warum denn auch? Das
sind nur … meine Kontaktlinsen, weißt du? Die piesacken mich manchmal ein
bisschen.«
    Puh. Gut, dass ich das hinter mir habe. Insgeheim muss ich
bei Sandra Abbitte leisten. Ganz ehrlich, unter uns: Leicht ist dieser Job
nicht. Es ist mir immer noch ein Rätsel, wie sie diese Kinder in den Griff
bekommt. Mir ist dann zwar auch noch ein guter Trick eingefallen, indem ich
jedem, der die restliche Zeit Ruhe gibt, einen Euro versprochen habe – dem Segelohrentypen
und dem mit dem Pferdegebiss habe ich dann trotzdem nichts gegeben. Beim
Gedanken an ihre blöden Gesichter lache ich mich jetzt noch schief –, aber eine
Dauerlösung ist das natürlich auch nicht. Zum Schluss kam dann noch eine
gestresste Mutter und wollte wissen, ob ich die Französischaushilfe sei. Keine
Ahnung, was die damit gemeint hat.
    Aber egal. Ich muss mich um Wichtigeres kümmern. Um meinen Hintern
zum Beispiel. Die Schmerzen sind mittlerweile unerträglich, und da ich keine
Ahnung habe, welcher Arzt für so was zuständig ist, habe ich mich einfach zu
Hause geduscht und umgezogen – damit ich den Farbfleck an meinem Hosenboden
nicht erklären muss – und bin dann ins Krankenhaus gefahren.
    Dem hübschen Fräulein am Empfang mein besonderes Anliegen zu
erklären war nicht ohne Peinlichkeit, und dementsprechend froh bin ich jetzt,
dass mich im Behandlungszimmer ein Arzt in gesetztem Alter empfängt.
    Â»So, was genau ist denn Ihr Problem, Herr Dr. Becker?«, fragt er,
nachdem er sich als Dr. Voss vorgestellt hat.
    Â»Tja, also, ich habe mir was eingezogen, an der Kehrseite«, erkläre
ich.
    Â»Ah ja. Und was genau?«
    Â»Einen Holzsplitter, in einer Sauna.«
    Â»In einer Sauna, so so.« Er wirft einen Blick in meine Unterlagen
und zieht die Augenbrauen hoch. »Wie ich sehe, sind Sie Rechtsanwalt. Dann
werden Sie die Betreiber dieser Anlage jetzt wohl verklagen, schätze ich?«
    Täusche ich mich, oder klang das ein bisschen feindselig?
    Â»Das hätte nicht viel Sinn. Es ist bei mir zu Hause passiert, in
meiner eigenen Sauna.«
    Â»Oh, das ist aber schade, was?«, sagt er mit unverhohlenem Zynismus
in der Stimme. »Dann verklagen Sie eben die Hersteller. Ihr Rechtsverdreher
klagt doch so gern. Welches Spezialgebiet haben Sie überhaupt?«
    Was hat der denn für ein Problem?
    Â»Strafrecht und Scheidungsfälle«, sage ich

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