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Ich Und Kaminski

Ich Und Kaminski

Titel: Ich Und Kaminski Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Kehlmann
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ging hinaus.
    Der Weg begann hinter dem Halbrund des Hauptplatzes, hob sich in zwei Windungen über die Dächer und führte durch ein bräunliches Schotterfeld. Ich holte tief Luft und ging los.
    Es war schlimmer, als ich erwartet hatte. Schon nach wenigen Schritten klebte mir das Hemd am Körper. Aus den Wiesen stieg warmer Dampf, die Sonne brannte, Schweiß lief mir über die Stirn. Als ich keuchend stehenblieb, hatte ich gerade zwei Serpentinen geschafft.
    Ich zog das Jackett aus und legte es mir um die Schultern. Es fiel zu Boden; ich versuchte, mir die Ärmel um die Hüften zu binden, Schweiß geriet mir in die Augen, ich wischte ihn weg. Ich schaffte wieder zwei Serpentinen, dann mußte ich rasten.
    Ich setzte mich auf den Boden. Eine Mücke sirrte, ein hoher Ton, der abrupt aufhörte, um meinen Kopf; Sekunden später begann meine Wange zu jucken. Die Nässe des Grases drang durch meine Hose. Ich stand auf.
    Es kam wohl vor allem darauf an, den richtigen Rhythmus zwischen Schritten und Atemzügen zu finden. Aber es gelang nicht, immer wieder mußte ich Pausen machen, bald war ich am ganzen Körper naß, mein Atem ging kurz und rasselnd, die Haare klebten mir im Gesicht. Etwas brummte, ich sprang erschrocken zur Seite, ein Traktor überholte mich. Der Mann im Fahrersitz sah mich gleichgültig an, sein Kopf wippte mit den Stößen des Motors.
    »Kann ich mitfahren?« brüllte ich. Er beachtete mich nicht. Ich versuchte Schritt zu halten, fast hätte ich es geschafft, aufzuspringen. Doch dann fiel ich zurück und konnte ihn nicht mehr einholen, ich sah zu, wie er davonkletterte, schrumpfte und um die letzte Biegung verschwand. Noch eine ganze Weile hing sein Dieselgeruch in der Luft.
    Eine halbe Stunde später stand ich oben, atmete schwer und hielt mich benommen an einem Holzpfahl fest. Als ich mich umdrehte, schien der Hang in die Tiefe und der Himmel in die Höhe zu schnellen, alles kippte vornüber, ich klammerte mich an den Pfahl und wartete, bis der Schwindelanfall vorüberging. Um mich war schütteres Gras, durchmischt mit Schotter, vor mir fiel der Weg sachte ab. Ich folgte ihm langsam, nach zehn Minuten endete er in einem kleinen, nach Süden offenen Felskessel mit drei Häusern, einem Parkplatz und einer ins Tal führenden Asphaltstraße.
    Tatsächlich: Eine breite, geteerte Straße! Ich hatte einen gewaltigen Umweg genommen; außerdem hätte ich mit dem Taxi herauffahren können. Ich dachte an meine Wirtin: Das würde ihr noch leid tun! Auf dem Platz parkten, ich zählte nach, neun Autos. Auf dem ersten Türschild stand Clure, auf dem zweiten Dr. Günzel, auf dem dritten Kaminski. Ich betrachtete es eine Weile. Ich mußte mich an den Gedanken gewöhnen, daß er wirklich hier wohnte.
    Das Haus war groß und unschön: zwei Stockwerke und ein spitzer Zierturm in klobig nachgeahmtem Jugendstil. Vor dem Gartentor parkte ein grauer BMW; ich betrachtete ihn neidisch, so einen Wagen hätte ich gerne einmal gefahren. Ich strich meine Haare zurück, zog das Jackett an und betastete den Mückenstich auf meiner Wange. Die Sonne stand schon niedrig, mein Schatten fiel schmal und länglich vor mir auf den Rasen. Ich läutete.

II
    Schritte näherten sich, ein Schlüssel wurde herumgedreht, die Tür sprang auf, und eine Frau in einer dreckigen Schürze sah mich prüfend an. Ich sagte meinen Namen, sie nickte und schloß die Tür.
    Gerade als ich noch einmal läuten wollte, ging die Tür wieder auf: eine andere Frau, Mitte vierzig, groß gewachsen und mager, schwarze Haare und fast asiatisch schmale Augen. Ich sagte meinen Namen, mit einer knappen Handbewegung bedeutete sie mir, hereinzukommen. »Wir haben Sie erst übermorgen erwartet!«
    »Ich habe es früher geschafft.« Ich folgte ihr durch einen möbellosen Flur, an dessen Ende eine Tür offenstand; von dort hörte ich durcheinanderredende Stimmen. »Ich hoffe, das macht keine Umstände.« Ich gab ihr Zeit, damit sie beteuern konnte, es mache keine, aber sie tat es nicht. »Das mit der Straße hätten Sie mir aber sagen können! Ich bin einen Feldweg heraufgekommen, ich hätte abstürzen können. Sie sind die Tochter?«
    »Miriam Kaminski«, sagte sie kühl und öffnete eine andere Tür. »Warten Sie bitte!«
    Ich ging hinein. Ein Sofa und zwei Stühle, auf dem Fensterbrett ein Radio. An der Wand hing das Ölbild einer dämmrigen Hügellandschaft; vermutlich Kaminskis mittlere Periode, frühe fünfziger Jahre. Über der Heizung war die Wand rußig verfärbt, an

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