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Ich Und Kaminski

Ich Und Kaminski

Titel: Ich Und Kaminski Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Kehlmann
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tat nicht weh, auf meine Hand, mit aller Kraft hielt ich den andrängenden Boden von mir fern; dann wachte ich auf. Es war halb fünf Uhr morgens, ich erkannte die Umrisse von Schrank und Tisch, das dunkle Fenster, Elkes Bett neben mir, leer. Ich streifte die Decke zurück, stand auf, spürte den Teppich unter meinen nackten Füßen. Aus dem Schrank kam ein scharrendes Geräusch. Ich öffnete. Da saß Kaminski, zusammengekauert, das Kinn auf den Knien, die Arme um die Beine gelegt, und sah mich aus hellen Augen an. Er wollte sprechen, aber bei seinen ersten Worten löste sich das Zimmer auf; ich fühlte das Gewicht der Bettdecke auf mir. Ein bitterer Geschmack im Mund, ein Gefühl von Dumpfheit, Kopfschmerzen. Schrank, Tisch, Fenster, leeres Bett. Zehn Minuten nach fünf. Ich räusperte mich, meine Stimme klang fremd, und stand auf. Ich spürte den Teppich unter den Füßen und betrachtete fröstelnd das Karomuster meines Pyjamas im Spiegel. Ich ging zur Tür, drehte den Schlüssel, öffnete. »Und ich dachte schon, du fragst nie!« sagte Manz. »Weißt du es schon?« Hinter ihm kam Jana herein. Was sollte ich wissen? »Ach«, sagte Manz, »stell dich nicht dumm!« Jana wickelte bedächtig eine Haarsträhne um ihren Zeigefinger. »Verschwendung«, sagte Manz fröhlich, »alles Unsinn und Verschwendung, mein Lieber.« Er holte ein Taschentuch hervor, winkte mir mit einer gezierten Bewegung zu und lachte so laut, daß ich erwachte. Fenster, Schrank und Tisch, das leere Bett, die zerwühlte Decke, mein Kissen war auf den Boden gefallen, ich hatte Halsschmerzen. Ich stand auf. Als ich den Teppich unter meinen Füßen spürte, überkam mich ein solches Gefühl von Unwirklichkeit, daß ich nach dem Bettpfosten tastete, aber mit einer schnellen Bewegung entglitt er meinem Griff. Diesmal wußte ich, daß es ein Traum war. Ich ging zum Fenster und zog die Jalousie hoch: Die Sonne schien, Menschen gingen durch den Park, Autos fuhren vorbei, es war kurz nach zehn und kein Traum. Ich ging in den Flur. Es roch nach Kaffee, aus der Küche hörte ich Stimmen.
    »Sind Sie das, Zöllner?« Kaminski saß im Schlafrock am Küchentisch und trug seine schwarze Brille. Vor ihm standen Orangensaft, Müsli, eine Schüssel mit Früchten, Marmelade, ein Korb mit frischem Gebäck und eine dampfende Kaffeetasse. Ihm gegenüber saß Elke.
    »Du bist zurück?« fragte ich mit unsicherer Stimme.
    Sie antwortete nicht. Sie trug ein elegant geschnittenes Kostüm, und sie hatte eine neue Frisur: Ihre Haare waren kürzer, die Ohren frei, im Nacken sanft gekräuselt. Sie sah gut aus.
    »Kein angenehmer Traum!« sagte Kaminski. »Ein winziger Raum, keine Luft, und ich war eingesperrt, ich dachte schon, es wäre ein Sarg, aber dann merkte ich, daß Kleider über mir hingen und daß es nur ein Schrank war. Dann war ich auf einem Boot und wollte malen, aber ich hatte kein Papier. Können Sie sich vorstellen, daß ich jede Nacht vom Malen träume?«
    Elke beugte sich vor und strich ihm über den Arm. Ein kindliches Lächeln ging über sein Gesicht. Sie warf mir einen kurzen Blick zu.
    »Ihr habt euch schon kennengelernt!« sagte ich.
    »Sie kamen auch vor, Zöllner. Aber an den Teil erinnere ich mich nicht.«
    Elke goß ihm Kaffee ein, ich zog einen Stuhl heran und setzte mich. »Ich habe dich noch gar nicht zurückerwartet.« Ich berührte sie an der Schulter. »Wie war die Reise?«
    Sie stand auf und ging hinaus.
    »Sieht nicht gut aus«, sagte Kaminski.
    »Abwarten«, sagte ich und ging ihr nach.
    Ich holte sie im Flur ein, wir gingen ins Wohnzimmer.
    »Du hattest kein Recht, herzukommen!«
    »Ich war in einer Verlegenheit. Du warst nicht da, und... Überhaupt, viele wären froh, wenn ich Manuel Kaminski zu ihnen bringen würde!«
    »Dann hättest du ihn zu einem von ihnen bringen sollen.«
    »Elke«, sagte ich und faßte sie an der Schulter. Ich trat nahe an sie heran. Sie sah fremd aus, jünger, etwas war mit ihr geschehen. Sie blickte mit schimmernden Augen auf, eine Haarsträhne fiel ihr in die Stirn und hängte sich in ihrem Mundwinkel fest. »Lassen wir das doch!« sagte ich leise. »Ich bin es. Sebastian.«
    »Wenn du mich verführen willst, solltest du dich rasieren. Du solltest keinen Pyjama tragen, und vielleicht sollte nicht Rubens nebenan sitzen und darauf warten, daß du ihn zu seiner Jugendliebe bringst.«
    »Woher weißt du davon?«
    Sie streifte meinen Arm ab. »Von ihm.«
    »Er spricht nicht darüber!«
    »Vielleicht nicht mit dir. Ich

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