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Ich Und Kaminski

Ich Und Kaminski

Titel: Ich Und Kaminski Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Kehlmann
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sein Kopf war gesenkt, seine Kiefer mahlten; wäre es etwas leiser gewesen, hätte man sein Schmatzen gehört. Über ihm zeigte eine Collage Quillings einen Fernseher, aus dem ein dickflüssiger Blutstrom rann und die mit Spray aufgetragenen Worte Watch it! Daneben hingen drei seiner Advertisement Papers: Plakate der Seifenfirma DEMOT, die Quilling mit ausgeschnittenen Tintoretto-Figuren beklebt hatte. Eine Zeitlang waren sie sehr en vogue gewesen, aber seit DEMOT selbst sie für die Werbung verwendete, wußte niemand mehr so recht, was man von ihnen halten sollte.
    Hochgart schob mich zur Seite. »Mir hat jemand verraten, daß Sie Manuel Kaminski sind.«
    »Das habe ich dir schon vorhin gesagt!« rief ich.
    »Habe ich nicht mitbekommen.« Hochgart ging in die Hocke, so daß sein Gesicht auf gleicher Höhe mit dem von Kaminski war. »Wir müssen Fotos machen!«
    »Vielleicht kann er hier ausstellen«, schlug die schlanke Frau vor. Sie hatte bisher noch kein Wort gesagt. Wir sahen sie überrascht an.
    »Nein, im Ernst«, sagte Manz und legte den Arm um ihre Hüfte. »Wir müssen die Gelegenheit nutzen. Ein Porträt vielleicht. In der nächsten Ausgabe. Sind Sie morgen noch in der Stadt?«
    »Will ich nicht hoffen«, sagte Kaminski.
    Professor Zahl näherte sich unsicheren Schrittes und stieß den auf dem Boden hockenden Hochgart um. »Was denn?« sagte er. »Was denn? Was?« Er hatte zuviel getrunken. Er war weißhaarig und solariumsbraun und trug wie immer eine grell bunte Krawatte.
    »Ich brauche ein Taxi«, sagte Kaminski.
    »Das ist doch nicht nötig«, sagte ich. »Wir gehen gleich.« Ich sah lächelnd in die Runde und erklärte: »Manuel ist müde.«
    Hochgart stand auf, klopfte seine Hose ab und sagte. »Das ist Manuel Kaminski.«
    »Wir machen morgen ein Interview«, sagte Manz.
    »Freut mich sehr«, sagte Zabl und ging unsicher auf Kaminski zu. »Zabl, Professor für Ästhetik.« Er zwängte sich zwischen uns hindurch und setzte sich auf einen freien Stuhl.
    »Gehen wir?« fragte Kaminski.
    Eine Kellnerin kam mit einem Tablett vorbei, ich nahm ein Glas Wein, trank es in einem Zug leer und nahm ein zweites.
    »Ich bin doch richtig orientiert«, fragte Zabl, »daß Sie Richard Riemings Sohn sind?«
    »Etwas in der Art«, sagte Kaminski. »Entschuldigen Sie die Frage, welche Bilder von mir kennen Sie?«
    Zabl sah uns alle, einen nach dem anderen, an. Sein Hals zitterte. »Da muß ich jetzt... im Moment... passen.« Er entblößte die Zähne zu einem Grinsen. »Ist im Grunde auch nicht mein Fach.«
    »Es ist schon spät«, sagte Manz. »Sie dürfen den Herrn Professor nicht so scharf befragen.«
    »Sind Sie mit Quilling befreundet?« fragte Zabl.
    »Das würde ich mir nicht anmaßen«, sagte Quilling. »Aber es ist wahr, daß ich mich immer als Manuels Schüler betrachten werde.«
    »Die Überraschung ist Ihnen jedenfalls gelungen«, sagte Manz.
    »Nein«, sagte ich, »er ist mit mir hier!«
    »Herr Kaminski«, sagte Zabl, »darf ich Sie nächste Woche in mein Seminar einladen?«
    »Ich glaube nicht, daß er nächste Woche noch hier ist«, sagte Quilling. »Manuel reist viel.«
    »Tatsache?« fragte Manz.
    »Er kommt großartig zurecht«, sagte Quilling. »Manchmal macht uns seine Gesundheit Sorgen, aber im Moment...« Er berührte einen Moment lang den dunkel gebeizten Rahmen des Watch it! -Bildes. »Klopfen wir auf Holz!«
    »Hat jemand ein Taxi gerufen?« fragte Kaminski.
    »Wir gehen ja gleich«, sagte ich. Wieder kam die Frau mit dem Tablett, ich nahm ein neues Glas.
    »Wäre Ihnen morgen zehn Uhr recht?« fragte Manz.
    »Wofür?« fragte Kaminski.
    »Unser Interview.«
    »Nein«, sagte Kaminski.
    »Ich kläre das mit ihm«, sagte ich. Zabl wollte aufstehen, mußte sich festhalten und sank auf den Stuhl zurück. Hochgart hatte plötzlich einen Fotoapparat in der Hand und drückte ab, das Blitzlicht schleuderte unsere Schatten an die Wand.
    »Kann ich dich nächste Woche anrufen?« sagte ich leise zu Manz. Ich mußte handeln, solange er sich noch einigermaßen an den Abend erinnerte.
    »Nächste ist nicht so gut.« Er kniff die Augen zusammen. »Übernächste.«
    »Schön«, sagte ich. Auf der anderen Seite des Raumes, unter drei von Quilling mit Zeitungsausschnitten beklebten Neonröhren, sah ich Walrat und Verena Mangold stehen. Sie redete sehr schnell, er lehnte sich an die Wand und blickte traurig in sein Glas. Ich nahm Kaminskis Ellenbogen und half ihm beim Aufstehen; sofort griff Quilling von der

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