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Ich vergebe dir - Bucciarelli, E: Ich vergebe dir - Io ti perdono

Ich vergebe dir - Bucciarelli, E: Ich vergebe dir - Io ti perdono

Titel: Ich vergebe dir - Bucciarelli, E: Ich vergebe dir - Io ti perdono Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabetta Bucciarelli
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Wort.
    »Und ihr habt ordentliche Verträge?« Eine rhetorische Frage.
    »Was? Ich nicht verstehe.«
    Wie auch , dachte die Kommissarin bei sich.
    »Alles schwarz also, das ist nicht legal, das wisst ihr, oder? Eure Chefs landen damit im Gefängnis und ihr auf der Straße.« Deutlicher ging es nicht.
    »Und was machen wir?«, zeigten sie sich sofort bereit zum Verhandeln.
    »Nichts. Ich will nur eins wissen. Wer bekommt einen Anteil von dem Geld, das ihr verdient?«
    »Anteil? Kein Anteil.« Ein kläglicher Versuch, sich herauszureden.
    »Wer bekommt den Anteil?« Maria Dolores ließ nicht locker und zog ihr Handy wie einen Revolver aus der Tasche.
    Die zwei Russinnen schauten sich an, dann setzte die Wortführerin der beiden zum Gegenangriff an: »Du sagst niemand, dass wir haben geredet mit dir, klar?«
    »Keine Angst.«
    »Dein Kollege kriegt Geld und gibt Geld andere Leute. Weil er ist gut zu uns, er holt uns, kümmert sich, sucht Wohnung, schöne Wohnung. Begleitet uns.« Ein guter Mensch.
    »Und eure Chefin?«
    »Sie ist wirklich Nutte. Nimmt alles unser Geld und gibt, was will sie«, kam die etwas konfuse Antwort.
    »Aber wem gebt ihr nun das Geld, ihr oder dem Kollegen?«
    »Kollege und Chefin. Erst sie, dann Kollege, dann wir.«
    »Und wann gebt ihr ihnen das Geld?«
    »Gleich wenn fertig. Sie kommt in Privé und sagt: Geld her. Wenn wir geben nicht alles, sie schlägt uns. Sie sucht Männer aus für uns, nicht wir. Sie macht Paare. Aber wenn Kontrolle kommt, wir sind schuld. Manchmal wir verstecken Geld hier.« Sie zeigte auf ihre Scham. Dann drehte sie sich lachend zu der anderen Russin. »Einmal ich habe vergessen bis nächster Tag.«
    »Wer alles bekommt außerdem noch von eurem Geld?«
    »Weiß nicht, Fahrer, Miete … weiß nicht.«
    In diesem Moment betrat eine Frau die Garderobe. Es war Jessi. Eine dicke Narbe prangte auf ihrer Wange, was ihr Gesicht, das bereits beängstigend wirkte, nicht wirklich hässlicher machte. Mit ihren wässrigen Augen und der mageren Statur wirkte sie gespenstisch und krank, was sie womöglich auch war. »Was haben Sie hier zu suchen?«, fuhr sie Maria Dolores an.
    »Ich unterhalte mich gerade mit Ihren Mädchen. Aber sie haben offensichtlich nicht wirklich etwas zu sagen.« Maria Dolores ließ sich nicht so schnell einschüchtern.
    »Das sind nicht meine Mädchen«, entgegnete Jessi.
    »Ach ja, richtig. Ihr teilt sie euch ja untereinander.« In diesem Moment tauchte Corsari hinter Jessi auf und fragte: »Alles klar?« Die ehemalige Prostituierte antwortete: »Ja, Pietro, alles klar. Alina ist drüben.«
    »Eigenartig«, reagierte Maria Dolores überrascht. »Ihr habt aber einen vertrauten Umgangston. Was wird hier eigentlich gespielt? Und wen meintest du gerade, als du gefragt hast: ›Alles klar?‹«
    »Dich, Doris«, prustete Corsari und schaute dann zu Jessi: »Es tut mir leid, aber ich bin Polizist. Ein Kommissar in Zivil, du musst leider mit uns auf die Wache kommen.«
    »Du willst ein Polizist in Zivil sein? Seit wann denn das?«, fragte ihn Maria Dolores als sie die kleine, knapp zwanzigjährige Alina aus einem der Privés herauskommen sah. Er ging auf sie zu und bekannte mit gedämpfter Stimme: »Ich bin ein schwacher Mann, Doris. Ich weiß, dass du mich jetzt verachtest. Es tut mir leid, aber so ist es nun mal.«

106
    Mailand war eine Falle. Wer die Stadt kannte, wusste das. Und mied sie. Oder wusste zumindest, wohin man lieber nicht ging und was man nicht tat. Machte zum Beispiel einen großen Bogen um die vermeintlich japanischen Restaurants, die von Chinesen geführt wurden. Mied die amerikanischen Cineplex-Kinos, die es im Stadtzentrum inzwischen ausschließlich gab. Plastik, Fiktion, Täuschung waren inzwischen bis ins Herz der Stadt vorgedrungen. Als läge sie auf dem Operationstisch und trüge mehrere Bypässe zur Schau. Einfach so. Sie ließ sich benutzen, ausnutzen, nachäffen, missbrauchen. Dort, wo sie wahrhaftig war, ließ sie niemanden an sich heran. Und bot sich dem Vorübergehenden, demjenigen, der sein Glück in Zeiten der Cholera suchte, wie eine Dirne an. Jedem, der das Bedürfnis verspürte, an der verwelkten Brust zu saugen, die voller geruchs- und geschmackloser Flüssigkeit war. Mailand ließ sich streicheln, ließ sich die Füße, die Waden, die Schenkel massieren. Die langen Haare kämmen. Ließ sich mit wohlriechendem Öl besprengen, begehrt und sinnlich. Knöpfte den Neureichen das Geld ab, die unfähig waren, eine Wahl zu treffen. Die

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