Ich vergebe dir - Bucciarelli, E: Ich vergebe dir - Io ti perdono
Privatperson oder als Kommissarin?«, fragte sie der Bischof von La Spezia.
»Ich bin eine gute Bekannte von ihm«, antwortete Maria Dolores.
»Ich werde alles abstreiten. Gegenüber der Presse, der Polizei, gegenüber allen, die mich zum Sprechen bringen wollen. Egal, was.«
»Ich möchte nur wissen, welche Situation Sie damals in Sòligo Ligure vorgefunden haben und wie Sie zu der ganzen Sache standen.«
»Die Gemeinde war fassungslos und bestand auf ein sofortiges Einschreiten. Wir haben darüber mit Don Paolo beraten, ihm unsere Solidarität ausgesprochen und versichert, dass wir von seiner Unschuld überzeugt seien. Und dann haben wir ihn gebeten, ein Opfer zu bringen.«
»In anderen Worten, er sollte einer Versetzung zustimmen, als habe er sich schuldig bekannt?«
»Wir haben ihn gebeten, sein Amt woanders weiterzuführen.«
»Und Sie lassen es zu, dass die Öffentlichkeit noch immer nicht die Wahrheit erfährt?«
»Wir haben keine Möglichkeit mehr zu erfahren, was wirklich passiert ist. Er hat sich das Leben genommen, eine Todsünde begangen. Nun liegt es in den Händen Gottes.«
Maria Dolores erinnerte sich an die letzten Worte des Priesters: Ich wünsche Ihnen nicht das, was Sie sich erhoffen, sondern das, was gut ist.
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»In jedem Bergdorf gibt es einen Verrückten, der von allen toleriert wird.«
»Sie machen Witze, oder? Haben Sie nicht die Fotos gesehen? Der Täter will, dass man ihm auf die Schliche kommt. Er hinterlässt Spuren. Außerdem haben Sie meine Aussage und an meiner Stirn eine Wunde. Was wollen Sie mehr?«
»Frau Kommissarin, wir werden alles genau überprüfen, aber ich denke, wir werden nicht wirklich etwas finden. Sie wollen sich nicht eingestehen, dass wir den Schuldigen bereits haben. Wie Sie wissen, wurde kein weiterer Fall in der Gegend zur Anzeige gebracht. Und, lassen Sie mich ehrlich sein: Diese Fotos können auch an irgendjemanden weiterverkauft worden sein. Vielleicht sind sie sogar schon längst ins Internet gestellt. Können wir uns denn sicher sein, dass der Priester mit den Fotos der Kinder nicht vielleicht sogar irgendwelche Geschäfte betrieben hat oder Ähnliches?«
»Ihre Version scheint mir ziemlich aus der Luft gegriffen.«
»Hauptkommissarin Vergani, vielen Dank für Ihre Hinweise, aber halten Sie sich aus dem Fall raus. Dafür sind Sie nicht zuständig.«
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Auch aus der obersten Chefetage hatte man sie tadelnd zurückgepfiffen. Ein Verweis mehr oder weniger machte das Kraut nun auch nicht mehr fett.
»Dieser verdammte Starrsinn macht mich noch fertig.«
»Meinst du damit deinen eigenen oder den der anderen?«, folgte prompt die provozierende Frage von Inga, während sie, zur Abwechslung mal, den Po des kleinen Paschas säuberte und anschließend mit Reinigungstüchern befeuchtete, bevor sie ihn dann dem saugfähigen Auslaufschutz der neuen, sensationellen Pampers Premium überließ.
»Meiner, ja, meiner«, antwortete Maria Dolores leicht gereizt.
»Auf was wartest du denn dieses Mal? Dass sie dich auch noch vom Polizeidienst suspendieren? Du bist aber auch ein Unikum, ein echtes Glückstäubchen«, kratzte sie mit den Krallen eines Sperbers.
»Morgen habe ich Geburtstag, und es kommt mir so vor, als hätte ich bisher in meinem Leben absolut nichts zustande gebracht. Form, nichts als Form ohne Inhalt. Gerechtigkeit: wie es die Gesetze vorschreiben. Ordnung: alles, was richtig und erlaubt ist. Ich halte nur durch, indem ich mir immer wieder diese Regeln in Erinnerung rufe, theoretisiere. Ich bin eben gut für die Theorie, aber was den Rest betrifft …«
»Hast du eigentlich noch immer zu diesem Typen Kontakt?« Unter ihre geringschätzige Frage mischte sich Neugierde.
»Ja, alles wie gehabt.« Eine relativ eindeutige Antwort.
»Also noch immer nichts?«
»Denkst du etwa, ich zerstöre eine Familie?«, sagte sie entschieden.
»Wollen wir mal nicht übertreiben. Du nimmst es einfach, wie’s kommt, und fertig.« Inga täuschte die Lockere vor, um ihre Freundin psychisch etwas aufzubauen.
»Das krieg ich nicht hin.« Besser hätte sie es nicht ausdrücken können.
»Was empfindest du eigentlich wirklich für diesen Typen?«, hakte Inga nach, während sie mal wieder das Fläschchen vorbereitete.
»Das weiß ich nicht. Ich fühle hier so einen Druck«, und fasste sich dabei an die Stelle ihres Herzens.
»Eines Tages wirst du noch an den ganzen Entsagungen zugrunde gehen.« Es war nicht das erste Mal, dass Inga so etwas dachte und ihrer
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