Ich vergesse dich niemals
dem Unfall, hatte die Polizei bei mir zu Hause angerufen. Ich hatte es kaum über mich gebracht den Hörer abzunehmen und nun bereute ich, dass ich es getan hatte. Der Mann am Telefon hatte ganz förmlich zu mir gesprochen mit monotoner Stimme und hatte mir verkündet, dass die verkohlte Leiche meiner Mutter in den Trümmern geborgen und identifiziert werden konnte. Wie gern hätte ich auf diese Nachricht verzichtet. Wieso hatte der Mann nicht einfach sagen können: „Ich habe eine gute Nachricht für Sie. Wir konnten ihre Mutter als eine der wenigen lebenden Opfer in den Trümmern bergen. Sie befindet sich im Moment im Krankenhaus in Chicago. Aber es sieht gut aus. Sie erholt sich schon wieder langsam.“ Aber nein alles war anders gekommen. Der Flugzeugabsturz hatte allen Insassen das Leben gekostet und noch vielen weiteren Menschen, die in diesem Wohnviertel in der Vorstadt von Chicago gelebt hatten. Wieso nur geschah etwas so schreckliches auf der Welt und riss so viele unschuldige Menschen in den Tod? Meine Mutter hatte das nicht verdient. Niemand hatte so einen Tod verdient. Es war grausam. Ich wusste schon gar nicht mehr, wie oft ich in den letzten neun Tagen geweint hatte oder wie sehr ich jeden der auf mich zukam und sein Beileid aussprach verfluchte. Mir kam es so vor als hätte ich nie aufgehört zu weinen und als würde ich auch nie wieder damit aufhören.
Vor drei Tagen war mein Vater zu mir gereist und war bei mir geblieben. Er hatte bestimmt tausend Versuche unternommen mir meine Trauer zu nehmen, doch keiner hatte auch nur Ansatzweise gewirkt. Ich sprach kaum ein Wort mit ihm, noch aß ich viel. Ich musste mich zu beidem regelrecht zwingen. Mein einziger Trost war Sammy. Er hatte mich die ganze Zeit im Arm gehalten als ich die Nachricht erfuhr, dass meine Mutter gestorben war. Er war nie von meiner Seite gewichen und war ebenso wie ich nicht zur Schule gegangen. Abends saß er sogar so lange auf dem Boden vor meinem Bett und hielt meine Hand, bis ich eingeschlafen war. Dann erst legte er sich auf meine Couch und schlief ebenfalls ein. Ich wusste gar nicht wie ich ihm dafür danken sollte. Er spendete mir Trost wie kein anderer und gab mir die Kraft jeden Tag wieder aufzustehen und weiterzumachen. Mein Dad hingegen wirkte völlig überfordert mit der ganzen Situation. Immerhin hatte nun er die Aufsichtspflicht über seine sechzehnjährige trauernde Tochter, die er sonst nur einmal im Jahr gesehen hatte. Seine Frau und mein Stiefbruder waren in New York geblieben. Dort wohnte mein Vater mit ihnen. Seine Frau Gabrielle war nämlich schwanger im fünften Monat und er wollte ihr keinen Stress zumuten und sein Stiefsohn Jason schien einfach keinen Bock gehabt zu haben. Ich verübelte es ihnen nicht. Immerhin kannten sie meine Mutter und mich nicht mal und ehrlich gesagt war ich auch froh das sie nicht hier waren. Ich wollte nicht, dass diese fremden Leute sich einmischten und so taten, als würden sie für einen ihnen unbekannte Frau trauern. Ich war mir nicht mal sicher, ob Dads Trauer ehrlich war. Aber ich glaubte schon, denn immerhin waren die beiden sechs Jahre ein Paar gewesen bis sie sich getrennt hatten.
Obwohl es Dad gewesen war der Mum verlassen hatte. Er hatte sich damals in Gabrielle verliebt, eine Geschäftspartnerin von ihm und da er Mum nicht betrügen wollte und keinen Gefühle mehr für sie hatte, hat er mich und Mum allein zurück gelassen. Meine Mutter hatte ihm das nie so richtig verziehen und trotzdem wusste ich, dass sie nie aufgehört hatte ihn zu lieben. Er war ihre erste und einzige große Liebe gewesen und seit dem hatte sie nie wieder jemanden so an sich heran gelassen wie ihn. Nie wieder sollte ein Mann sie so verletzten wie es Dad getan hatte, dass hatte sie zu mir gesagt und außerdem war ich sowieso ihr größtes Geschenk. Ich hatte ihr das geglaubt, jedoch wusste ich, dass sie traurig und einsam war, obwohl sie es nie zeigte. Meine Mutter hatte für mich immer alles getan und sich nie beschwert über ihr Leben. Sie war eine grandiose und einzigartig gütige Frau, die auf immer und ewig in meinem Herzen bleiben würde. Nie würde ich den Tag vergessen, an dem sie mich zum Gesangsunterricht schickte und mir damit meinen größten Traum erfüllte. Sie hatte mich immer unterstützt, egal was es auch war. Durch sie wurde ich zu dem was ich heute bin und dafür werde ich ihr auf ewig dankbar sein.
Ich stand in eine schwarze Bluse und langen schwarzen Rock gehüllt vor meinem
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