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Ich war seine kleine Prinzessin

Ich war seine kleine Prinzessin

Titel: Ich war seine kleine Prinzessin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nelly
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das weißt du.« Falls ich die
Sendung machen wolle, müsse ich aber Sicherheiten verlangen, riet sie mir. »Was
für Sicherheiten?« »Du mußt die Möglichkeit haben, selbst im letzten Moment
noch abzusagen. Für den Fall, daß dir plötzlich die Kraft oder die Lust fehlt.
Sogar wenn sämtliche Vorbereitungen getroffen sind, sogar am Tag der
Aufzeichnung mußt du noch absagen können. Vielleicht hast du kein Vertrauen zum
Moderator, oder er ist dir unsympathisch. Dann mußt du die Möglichkeit haben,
alles abzublasen. Erinnerst du dich noch an deine Schwierigkeiten mit den
Psychiatern? Daß du überhaupt nicht mit ihnen reden konntest?«
    Die Entscheidung hing von Pascale
Breugnot ab, der Chefin des Magazins bei dem Sender TF1. Eine große, rothaarige
Frau, die mir sehr imponiert hat. Sie hat Erfahrung im Umgang mit Menschen, und
sie kann zuhören. Als wir ihr unser Anliegen vortrugen, antwortete sie, ohne zu
zögern: »Einverstanden. Die Entscheidung bleibt Ihnen überlassen. Es ist
schließlich Ihre Geschichte, Ihr Leben.«
    Mama verlangte angesichts meines Alters
noch andere Garantien. Sie wollte sichergehen, daß ich von Leuten befragt
wurde, die sich in meine Lage versetzen und die mein Problem auch wirklich
verstehen konnten. »Sexueller Mißbrauch ist ein heikles Thema, und Nelly ist sehr
empfindsam.«
    Mamas Bedenken erwiesen sich als
unbegründet. Ich hatte Vertrauen zu den Fernsehleuten. Sie gaben mir ein Gefühl
der Geborgenheit. Alain, Renaud und Tony befragten und filmten mich mehrere
Stunden, erst in der Kanzlei von Mamas Anwältin, dann bei uns zu Hause. Sie
gingen sehr behutsam und taktvoll vor. Zum Pariser Team — Patricia, Marion und
Vincent, die telefonisch noch das ein oder andere mit mir abklärten, um die
Interviews zu vervollständigen — hatte ich ebenfalls einen guten Kontakt. Wir
freundeten uns rasch an, und ich hatte bald das Gefühl, sozusagen zur Familie
zu gehören.
    Der einzige, den ich noch nicht
kennengelernt hatte, war Patrick Meney, der Moderator der Sendung. Ich stellte
ihn mir als echten Fernsehprofi vor, aber nicht unbedingt als Mensch von
Fleisch und Blut. Sein Team beruhigte mich jedoch, was das anging. Und als ich
ihn zum erstenmal traf, stellte ich fest, daß sie nicht übertrieben hatten. Wir
verstanden uns auf Anhieb.
    Noch etwas sprach für Patrick Meney: Er
hatte bereits mehrere Sendungen zum Thema sexueller Mißbrauch von Kindern
gemacht und auch ein Buch darüber geschrieben, das Mama gelesen hat. Er war
also bestens vertraut mit der Problematik, und meine Geschichte hat ihn sehr
bewegt. Wir führten lange Gespräche. Er war der erste Erwachsene, mit dem ich
so offen reden konnte. Ich fühlte mich verstanden und hatte volles Vertrauen zu
ihm. Sonst wäre ich nie in dieser Sendung aufgetreten. Meine Entscheidung stand
fest. »Ich werde es machen. Ich werde vor die Kamera treten und sagen, was ich
zu sagen habe. Ganz Frankreich soll es hören. Niemand wird mehr die Ohren vor
der unangenehmen Wahrheit verschließen können.«
    Nie zuvor hatte ein so junges Mädchen
im französischen Fernsehen über den sexuellen Mißbrauch von Kindern gesprochen.
Die Sendung würde daher nicht nur für mich, sondern auch für die Fernsehleute
nicht leicht sein. Aber ich sagte mir: Das ist meine Chance, eine Riesenchance.
Endlich kann ich die Dinge richtigstellen, endlich wird die Wahrheit ans Licht
kommen!
    Freilich waren nicht alle Zuschauer mit
meinem Fall vertraut. Dennoch faßte ich die Gelegenheit als einen einmaligen,
einen unerhörten Glücksfall auf. Die Gelegenheit, den Menschen in Papas
Heimatdorf (von denen nicht alle, aber viele sich mir gegenüber so gemein
benommen hatten), den Leuten, die der Gerichtsverhandlung beigewohnt oder in
den Zeitungen über meinen Fall gelesen hatten, all jenen, die mir unrecht getan
hatten, die Wahrheit ins Gesicht zu sagen. Damit ich eines Tages wieder ein
normales Leben führen konnte.
    Die Sendereihe beruhte auf einem
denkbar einfachen Prinzip: In jeder Folge wurde über einen Fall diskutiert, bei
dem jemand zu Unrecht aus der Gemeinschaft ausgeschlossen wurde, wobei die
Gründe jedesmal andere waren: irgendwelche Gerüchte, Rassismus, Homosexualität.
Es ging darum, diese Gründe näher zu beleuchten und Verständnis für den
Ausgestoßenen zu wecken.
    Die letzte Folge hatte unter dem Thema
Justizirrtum die Affäre Mis und Thiennot behandelt. Raymond Mis und Gabriel
Thiennot waren des Mordes an einem Jagdaufseher für schuldig befunden und

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