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Ich war zwölf...

Ich war zwölf...

Titel: Ich war zwölf... Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nathalie Schweighoffer
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nicht vermiesen. Und
auch keine andere. Schluß. Aus. Ich werde dafür sorgen, daß alles wieder seinen
geregelten Gang geht, wie er sagt. Ich will mein früheres Leben wiederfinden.
So sauber, wie es früher war.
    Er kommt herein, er ist da. Es ist mein
Vater und in meinem Körper und meinem Kopf ist nichts als Angst. Ich zittere
innerlich. Einmal mehr hat er mich überrumpelt. Ich wollte wach sein, damit er
nicht zum Bett kommt, und jetzt steht er davor. Ich bin auf diesem Bett
festgenagelt. Er legt sich neben mich, er streichelt mein Haar, er beginnt
immer so, mit den Haaren. Danach läßt er seine Hand hinuntergleiten, als würde
er es gar nicht bemerken, und ich muß so tun, als würde ich es auch nicht
bemerken. Aber diesmal geht er weiter. Ich habe mein langes Nachthemd
angezogen, das bis zu den Füßen reicht, um mich zu schützen. Aber er fummelt
darunter herum, versucht, meinen Schlüpfer zu entfernen. Ich habe ihn
absichtlich angelassen, und er will ihn mir ausziehen. Das darf er nicht. Wenn
er das macht, könnte ich ihn nie mehr lieben. Ich muß den Mut aufbringen und
etwas tun, um ihn daran zu hindern. Ich stehe blitzartig auf und flitze ans
andere Ende des Zimmers. Geschafft, ich bin seinen Händen entronnen.
    »Was machst du?«
    »Ich will nicht.«
    »Komm her.«
    Er hat böse Augen. Es wird ihn zornig
machen, aber sei’s drum, ich wußte es, ich werde ihm sagen:
    »Ich will nicht, daß du solche Sachen
machst. Das ekelt mich an.«
    Nie zuvor hat sich sein
Gesichtsausdruck so schnell verändert. Selbst die Farbe seiner Augen. Er packt
mich heftig am Arm, öffnet die Tür und zieht mich in den Flur bis zum
Badezimmer. Das Haus ist totenstill, alle schlafen, und er preßt meinen Arm
ganz fest, damit ich keinen Lärm mache, er sieht so aufgeregt aus, daß ich
nicht begreife, was los ist. Ich glaubte, er würde aufhören, wenn ich sage
»nein, ich will nicht, das ekelt mich an«. Er hat mich nie zu Dingen gezwungen,
die ich nicht wollte. Wenn ich bei Tisch etwas nicht essen will und sage »mag
ich nicht«, muß ich’s auch nicht. Aber ich habe kein Recht, ihm etwas zu
verweigern. Für ihn ist »nein« wie eine Beleidigung. Nur die Erwachsenen dürfen
nein sagen. Und ich bin eben in die Welt der Erwachsenen eingetreten, ich habe
zum ersten Mal »nein« gesagt. Und es geht nicht. »Nein« ist verboten. Er
schnauzt mich mit heiserer Stimme im Badezimmer an, ohne meinen Arm
loszulassen.
    »Das verstehe ich nicht. Wenn ich in
den anderen Nächten zu dir gekommen bin, hast du da etwa gesagt, du liebst mich
nicht? Machst du dich vielleicht über mich lustig? Weißt du, wie man Frauen
nennt, die sich so benehmen? Schlampen! Hörst du? Das sind Schlampen!«
    Er bringt es fertig zu schreien, ohne
zu schreien, sein Mund ist so nah an meinem Ohr, daß die Beleidigungen in
meinem Schädel widerhallen. Ich möchte weinen, aber ich muß mich zuerst
verteidigen. Meine Stimme zittert.
    »Papa, das stimmt nicht. Jedesmal, wenn
du gekommen bist, hab’ ich dir gesagt, daß ich nicht will. Du hast mir nicht
zugehört. Bitte, laß mich los. Bitte, laß mich in Ruhe.«
    Das macht ihn noch zorniger. Mein Arm
tut weh, meine Hand ist ganz rot — so hat er mich gepackt, als er mich
schüttelte. Ich gerate in eine unvorstellbare Panik. Noch höre ich seine
Beleidigungen, unverständliche Sätze, aufgeschnappte Worte. Noch einmal sagt
er, daß ich eine Schlampe bin, daß ich meinen Vater nicht liebe. Alle kleinen
Mädchen müssen ihren Vater lieben, und ich führe mich wie eine Schlampe auf,
die ihren Vater nicht liebt...
    Heißt das, seinen Papa lieben? So habe
ich das nicht aufgefaßt. Zuerst habe ich ihn geliebt, ich liebe ihn immer noch,
meinen Papa. Gerade weil ich ihn lieben will, wehre ich mich gegen die
schmutzigen Dinge, die er mit mir machen will. Zum Beispiel meinen Schlüpfer
ausziehen. Ein Papa tut so was nicht mit seiner Tochter. Das weiß ich. Das ist
nicht normal. Aber er sagt, daß ich ihn so lieben muß. Mir kommen die Tränen,
ganz schnell, und ich habe nur eine Hand, um sie abzuwischen, damit ich keinen
Schleier vor den Augen habe.
    Er hat mich losgelassen. Mit einer — immer
derselben — Geste rückt er seinen braunen Bademantel zurecht und geht hinaus.
Ich bleibe allein. Allein. Ich bin allein im Badezimmer. Was geschieht jetzt?
Hat er mich bestraft? Hat er mich hier eingeschlossen? Ich muß verstehen, warum
er so zornig ist. Verstehen, verstehen, ich kann’s nicht. Immer noch habe ich
panische Angst. Es

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