Ich weiss, dass du luegst
«ehrlichen» Interviews diese Schülerinnen einen angenehmen Film über das Meer gesehen hatten und angewiesen worden waren, ihre Gefühle unbefangen zu beschreiben. In den «unehrlichen» Interviews hatten sie einen Film mit blutigen Krankenhausszenen gesehen und waren gebeten worden, den Interviewer davon zu überzeugen, einen weiteren beschaulichen Film zu sehen. Der Interviewer selbst konnte nicht erkennen, welchen Film die Krankenpflegeschülerinnen sahen. Diese jungen Frauen gaben ihr Bestes, um den Interviewer in die Irre zu führen, weil sie glaubten, unser Experiment sollte ihre Fähigkeit überprüfen, emotionale Reaktionen in der Notaufnahme und im Operationssaal im Griff zu haben.
Um herauszufinden, wie gut Beobachter aufdecken können, ob diese Schülerinnen logen, waren wir nicht nur daran interessiert, welche Quelle sich als die beste erweisen würde -Gesicht, Körper, Stimme oder Worte sondern auch, ob misstrauische Kandidaten besser abschnitten als jene, die nicht erwarteten, hinters Licht geführt zu werden. Es wurden zwei Gruppen gebildet, die die Videos anschauten oder hörten.
Einer Gruppe wurde Misstrauen gegenüber den Teilnehmerinnen eingeflößt, die andere blieb unbeeinflusst. Diese ahnungslose Gruppe bekam keine Informationen über das Experiment, wir erwähnten ihr gegenüber nichts über mögliche Täuschungen. Ihr wurde nur gesagt, dass sie Menschen sehen oder hören würden, die sich zu einen Film äußerten. Um diese Teilnehmer nicht zu beeinflussen, wurden sie in einem Fragebogen außer zu Ehrlichkeit auch zu Freundlichkeit, Extraversion, Dominanz, Unbeholfenheit, Ruhe etc. der Schwesternschülerinnen befragt.
Obwohl einige Pflegeschülerinnen lausige Lügnerinnen und leicht zu entlarven waren, führten die meisten von ihnen unsere ahnungslosen Kandidaten aufs Glatteis. Diejenigen, die nur das Gesicht sahen oder lediglich die Worte hörten, schnitten am schlechtesten ab: Sie schätzten die Pflegeschülerinnen insgesamt als ehrlicher ein, wenn sie in Wirklichkeit logen. Auch die misstrauischen Teilnehmer kamen nicht besser dabei weg. Diese Gruppe kannte die Anweisungen, die den Schülerinnen gegeben worden waren, und wusste auch, dass die zu beurteilenden jungen Frauen entweder logen oder die Wahrheit sagten. Sie wurden gebeten, nur ein einziges Urteil abzugeben - Ehrlichkeit oder Täuschung. Nur sehr wenige kamen bei ihrer Entscheidung über ein Ergebnis hinaus, das auch ein Zufallsgenerator erzielt hätte. Die Teilnehmer, die nur den Körper gesehen hatten, schnitten am besten ab, aber auch diese Teilnehmer lagen nur zu 65 Prozent richtig, verglichen mit einem Zufallswert von 50 Prozent.| 3 Ein paar Kandidaten erzielten gute Ergebnisse und identifizierten 85 Prozent der Lügner. Manche dieser Befragten waren äußerst erfahrene Psychotherapeuten mit dem Ruf, hervorragende klinische Ärzte zu sein. Andere waren einfach außerordentlich einfühlsame Menschen mit anderen Berufen.| d Man muss sich nicht derart irreführen lassen. Wer sich mit dem Inhalt dieses und des nächsten Kapitels vertraut gemacht hatte, schnitt bei der Beurteilung der Pflegeschülerinnen ähnlich gut ab wie die besten Psychotherapeuten. Manche Hinweise auf Täuschungen sind erlernbar. Der Lügenermittler hat eine größere Chance, wenn die Täuschung mit Emotionen zu tun hat und der Lügner nicht sehr erfahren, kein Psychopath und kein geborener Lügner ist. Wir verfolgen drei Ziele: häufiger einen Lügner entlarven, die Ehrlichen weniger oft falsch beurteilen und das Wichtigste: erkennen, wann weder das eine noch das andere möglich ist.
Die Worte
Überraschenderweise verraten sich Lügner durch ihre eigenen Worte aus Nachlässigkeit. Natürlich könnten sie ohne weiteres verschleiern, was sie sagen, und sie scheitern auch nicht beim Versuch der Verheimlichung, aber sie versäumen es schlicht, ihre Geschichten sorgfältig auszuarbeiten. Der Leiter eines Personalberatungsunternehmens erzählte von einem jungen Mann, der sich bei seiner Agentur innerhalb eines Jahres unter zwei verschiedenen Namen bewarb. Also fragte man ihn, wie man ihn denn ansprechen sollte: «Der Mann, der sich zuerst Leslie D'Ainter nannte, aber nun zu Lester Dainter geworden war, setzte seine Ausflüchte, ohne mit der Wimper zu zucken, fort. Er erklärte, er habe seinen Vornamen geändert, weil Leslie zu feminin klänge, während sein neuer Nachname nun leichter auszusprechen sei. Aber seine Referenzen waren der eigentliche Hammer.
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