Ich weiss, dass du luegst
könnte vorsätzlich sein, falls der Sprecher lügen würde, aber Freud war vielmehr an Beispielen interessiert, in denen sich der Sprecher der Verdrängung nicht bewusst war. Nachdem der Versprecher passiert ist, erkennt der Sprecher vielleicht, was verdrängt worden ist. Oder aber es wird ihm womöglich selbst dann nicht bewusst.
Der Lügenermittler muss vorsichtig sein, er darf nicht davon ausgehen, dass jeder Versprecher ein Beweis für eine Lüge ist. Normalerweise sollte aus dem Zusammenhang hervorgehen können, ob der Versprecher eine Lüge verrät oder nicht. Der Lügenermittler sollte ebenso den Fehler vermeiden, jemanden als ehrlichen Menschen zu betrachten, nur weil ihm keine Versprecher über die Lippen kommen. Bei vielen Lügen kommt es zu keinem solchen Vorfall. Freud lieferte keine Erklärung dafür, warum manche Lügen durch einen Versprecher aufgedeckt werden, während es bei den meisten Lügen nicht funktioniert. Verlockend ist die Vorstellung, dass dem Lügner ein Versprecher unterläuft, wenn er ertappt werden will, da er unter Schuldgefühlen leidet. Natürlich sollte Dr. R. ein Schuldgefühl wegen der Täuschung empfunden haben. Aber es hat keine Untersuchungen - ja, nicht einmal Spekulationen -gegeben, die zur Erklärung hätten beitragen können, warum nur bestimmte Lügen durch Versprecher verraten werden.
Tiraden stellen eine dritte Möglichkeit dar, wie Lügner sich mit Wörtern verraten. Eine Tirade unterscheidet sich von einem Versprecher. Bei diesem groben Sprachschnitzer haben wir es mit mehr als einem oder zwei Worten zu tun. Der Lügner redet sich in Rage und bemerkt erst später die Konsequenzen seiner Enthüllungen. Wäre der Lügner beherrscht geblieben, hätte er die ihm schadende Information womöglich nicht offenbart. Es ist der Druck einer überwältigenden Emotion - Wut, Entsetzen, panische Angst oder Kummer -, die den Lügner dazu bringt, Informationen preiszugeben. Als Tom Brokaw Moderator der amerikanischen Fernsehsendung «Today Show» war, beschrieb er eine vierte Quelle von Täuschungshinweisen. «Die meisten Hinweise, die mir Menschen geben, sind nicht körperlicher, sondern verbaler Natur. Ich suche nicht im Gesicht einer Person nach Anzeichen für eine Lüge. Worauf ich aus bin, sind komplizierte Antworten oder gezierte Ausflüchte.»| 8 Etliche Studien über Täuschungsmanöver geben Brokaws Bauchgefühl recht. Man fand heraus, dass manche Menschen beim Lügen indirekte Antworten gaben, weitschweifig wurden und mehr Informationen preisgaben, als erbeten worden waren. Andere Studien haben genau das Gegenteil gezeigt: Die meisten Menschen sind zu schlau, um sich herauszureden oder indirekt zu antworten.| f Tom Brokaw könnte diese Art von Lügnern übersehen haben. Ein noch größeres Risiko wäre es, ein Fehlurteil über eine ehrliche Person, die zufällig weitschweifig und ausweichend erzählt, zu fällen. Es gibt tatsächlich einige Menschen, die ständig so sprechen, was bei ihnen kein Hinweis auf eine Lüge ist, denn sie reden einfach so. Jedes Verhalten, das einen nützlichen Hinweis auf eine Täuschung gibt, gehört bei einigen Personen zum üblichen Verhaltensrepertoire. Die Möglichkeit, solche Menschen falsch zu beurteilen, nenne ich Brokaw-Fehler. Lügenermittler sind für den Brokaw-Fehler anfällig, wenn sie den Verdächtigen nicht kennen und mit seinen Eigenheiten und typischen Verhaltensweisen nicht vertraut sind. Methoden, um den Brokaw-Fehler zu vermeiden, werden in Kapitel 6 vorgestellt.
Bis heute hat die Forschung keine andere Quelle für die Entdeckung von Lügen außer Lecks und Täuschungshinweisen aufgespürt. Vermutlich wird man nicht viel mehr finden. Wie ich bereits beschrieben habe, fällt es einem Betrüger zu leicht, Worte zu verheimlichen und zu verfälschen, wenngleich sehr wohl Fehler auftreten - Flüchtigkeitsfehler, Ausrutscher, Tiraden, Weitschweifigkeit oder indirekte Rede.
Die Stimme
Im Gegensatz zu den Worten bezieht sich die Stimme auf alles, was mit dem Sprechen zu tun hat. Die geläufigsten stimmlichen Täuschungshinweise sind Pausen. Sie können zu lang oder zu häufig sein. Ein Zögern zu Beginn einer Sprechphase, vor allem bei der Beantwortung einer Frage, kann Verdacht erregen. Dasselbe gilt für kürzere Pausen mitten im Sprechen, wenn sie auffallend häufig auftreten. Fehler beim Sprechen können ebenfalls ein Hinweis auf eine Täuschung sein. Dazu gehören auch Nichtwörter wie «ah», «ääh» und «hmm»,
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