Ich weiss, dass du luegst
differenzierteste Kommunikation ermöglichen. Worte vermitteln mehr und schneller Botschaften als die Gesichtszüge, die Stimme oder der Körper. Lügner zensieren ihre Aussagen und verschweigen sorgfältig die Botschaften, die sie nicht weitergeben wollen. Das hängt nicht nur damit zusammen, dass sie gelernt haben, dass ihre Mitmenschen dieser Quelle mehr Aufmerksamkeit schenken, sondern auch, dass sie wissen, dass man sie für ihre Worte schneller verantwortlich machen kann als für den Klang ihrer Stimme, einen Gesichtsausdruck oder die meisten Körperbewegungen. Eine wütende Miene oder ein schroffer Ton lässt sich immer abstreiten. Der Ankläger kann in die Defensive gedrängt werden: «Vielleicht haben Sie es so gehört. Aber es lag keine Wut in meiner Stimme.» Es ist viel schwerer abzustreiten, dass man etwas aus Wut gesagt hat. Das gesprochene Wort steht im Raum, es kann leicht zitiert werden und lässt sich schwer verleugnen.
Ein anderer Grund, Worte sorgfältig zu kontrollieren und zu verschleiern, ist die Möglichkeit, mit Worten leicht etwas zu verfälschen - also Behauptungen aufzustellen, die nicht wahr sind. Ein genauer Wortlaut kann im Voraus niedergeschrieben und umformuliert werden. Nur ein gut ausgebildeter Schauspieler könnte so präzise jeden Gesichtsausdruck, jede Geste und jeden Tonfall vorausplanen. Aber Worte lassen sich leicht immer wieder neu einstudieren. Der Sprecher kann sich ständig selbst überprüfen. Er hört, was er sagt, und kann folglich seine Botschaft feinabstimmen. Die Kontrolle von Gesicht, Körper und Stimmbändern ist wesentlich ungenauer.
Neben dem Gesprochenen richtet sich die größte Aufmerksamkeit der Gesprächspartner auf das Gesicht. Man hört Kommentare wie «Schau nicht so drein!», «Lächle, wenn du das sagst!», «Sieh mich nicht so frech an!». Man betrachtet das Gesicht teilweise deswegen so aufmerksam, weil es Ausdruck und Symbol für das Selbst ist. Wir unterscheiden die Menschen nun einmal hauptsächlich durch ihre Gesichter. Gesichter sind Ikonen. Wir feiern sie mit Fotografien, die wir an die Wand hängen, auf den Schreibtisch stellen und in Brieftaschen und Portemonnaies immer dabeihaben.| 1 Die Entdeckung, dass eine bestimmte Hirnregion auf Gesichtererkennung spezialisiert ist, ist noch nicht lange her.| 2
Es gibt noch eine Reihe anderer Gründe, warum Menschen Gesichtern so viel Aufmerksamkeit schenken. Das Gesicht ist der primäre Schauplatz, auf dem Emotionen für andere sichtbar werden. In Verbindung mit der Stimme bekommt der Zuhörer einen Eindruck, wie der Sprecher zu den eigenen Worten steht. Allerdings kann man sich nicht darauf verlassen, weil Gesichter auch Lügen über Gefühle erzählen können. Wer Schwierigkeiten mit dem Hören hat, beobachtet die Lippen des Sprechers, um die gesprochenen Worte zu identifizieren. Auf das Gesicht zu achten kann auch ein wichtiges Signal für den weiteren Verlauf des Gesprächs sein. Wer redet, möchte wissen, ob seine Gesprächspartner auch wirklich zuhören. Wer dem Redner ins Gesicht schaut, scheint das zu tun, wobei dies nicht immer zutreffen muss. Gelangweilte, aber höfliche Zuhörer können durchaus dem Redner ins Gesicht sehen und in Gedanken ganz woanders sein. Zuweilen wird der Redner von den Zuhörern mit Kopfnicken und «Mm-hmms» ermutigt, aber auch das kann vorgetäuscht sein.| a
Verglichen mit der Beachtung, die Worten und Gesichtern zuteilwird, ziehen Stimme und Körper weniger Aufmerksamkeit auf sich. Hier geht allerdings auch nicht viel verloren, weil der Körper normalerweise viel weniger Informationen preisgibt als das Gesicht. Und der Klang der Stimme verrät viel weniger als Worte. Gesten mit der Hand könnten viele Botschaften vermitteln, was etwa auf die Zeichensprache der Gehörlosen zutrifft, aber unter Nordeuropäern und Amerikanern ist gestenreiche Sprache unüblich, es sei denn, das Sprechen ist verboten.| b Wie das Gesicht kann auch die Stimme zeigen, ob jemand von einer Emotion ergriffen ist oder nicht. Bisher ist aber noch nicht geklärt, ob die Stimme so viele präzise Informationen über die Art der Emotion des Redners vermitteln kann wie das Gesicht.
Normalerweise achten Lügner auf ihre Worte und auf ihr Gesicht und versuchen, alles unter Kontrolle zu bekommen, was ihnen bei Worten besser gelingt. Worte zu verfälschen ist einfacher, als Gesichtszüge zu manipulieren, weil Worte, wie bereits erwähnt, bequemer einzustudieren sind als die Bewegungen von
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