Ich weiß, was du letzten Sommer getan hast
Booter Bronson verwandt, der das Sportgeschäft betreibt?«
»Das ist mein Vater«, antwortete Ray. »Julie hat mir erzählt, dass du erst vor Kurzem aus dem Irak zurückgekommen bist? Muss ganz schön hart gewesen sein.«
Die beiden jungen Männer schüttelten sich höflich die Hände und unterhielten sich einen Moment lang, so als hätten sie Freunde sein können, wenn sie sich unter anderen Umständen getroffen hätten. Dann verabschiedete sich Ray, und Julie bat Bud, kurz zu warten, während sie nach oben ging, um sich fertig zu machen.
Als sie wieder herunterkam, stand Bud noch an genau derselben Stelle neben der Tür, wo sie ihn vor ein paar Minuten zurückgelassen hatte. Er blickte zu ihr auf und lächelte, und einen Augenblick lang schnürte es ihr die Kehle zu, weil er ein so hübsches Lächeln hatte und weil seine Augen nicht grün waren.
VIER
Einer der Vorzüge ihres Jobs als »Future Star« bei Channel Five waren die Arbeitszeiten, wie Helen Rivers sich des Öfteren in Erinnerung rief. Vormittags um elf fand man sie für gewöhnlich sonnenbadend auf einem Liegestuhl am Pool, den sie unter der Woche ganz für sich allein hatte.
»Ich begreife nicht, wofür sie dir dieses ganze Geld zahlen«, ereiferte sich ihre Schwester Elsa an den Wochenenden, an denen Helen pflichtschuldig zum Sonntagsessen nach Hause kam, gerne. »Was machst du schon großartig, was nicht auch jede andere tun könnte – nett lächeln, Charthits ansagen und alberne Kommentare abgeben.«
Elsa hatte eine Vierzig-Stunden-Woche als Verkäuferin in der Mall und war der festen Überzeugung, dass eine Arbeit nur dann diesen Namen verdiente, wenn man abends mit Rückenschmerzen und völlig erschöpft nach Hause kam.
»Zu meinem Job gehört noch eine ganze Menge mehr, das kannst du mir glauben«, versuchte Helen ihr dann jedes Mal zu erklären. »Zum Beispiel muss ich rund um die Uhr zur Verfügung stehen, um den Sender bei irgendwelchen Veranstaltungen zu repräsentieren. Und wenn ich dann für die Spätnachrichten noch einen Beitrag schreiben muss, kann ich den Abend komplett vergessen.«
Aber wenn sie ehrlich war, hörte sich das selbst in ihren Ohren lachhaft an. Ihre Wahl zum Future Star von Channel Five war die Erfüllung von so ziemlich allem, was sie sich jemals erträumt hatte.
Helens Aussehen war ihr größtes Kapital, das war ihr schon sehr früh im Leben klar geworden. Mit zwölf hatte sie sich eines Tages vor den Spiegel gesetzt und sich ausgiebig darin betrachtet.
Sie war durchaus zufrieden gewesen mit dem, was sie gesehen hatte, allerdings noch nicht zufrieden genug. Also hatte sie sich einer schonungslosen Bewertung unterzogen: gute Figur, ebenmäßige Zähne, feine Gesichtszüge. Sie hatte für ihr Alter schon einen ziemlich großen Busen, nur leider ein bisschen zu viel Speck auf den Hüften. Ihr Teint war zu blass, ihre mausbraunen Haare waren eher gewöhnlich, dafür jedoch kräftig und gesund. Die Hände waren für ihren Geschmack etwas zu groß, wirkten aber dank der schlanken Finger zartgliedrig und feminin. Nur das Nägelkauen musste sie sich dringend abgewöhnen.
Diesen Vorsatz hatte sie umgehend in die Tat umgesetzt – und zwar durch schiere Willenskraft. Der Rest beanspruchte etwas mehr Zeit, vor allem das Abnehmen. Helen aß gern, und die Mahlzeiten, die bei ihr zu Hause auf den Tisch kamen, waren in der Regel kalorienhaltige Fertiggerichte. Es bedurfte also einer strengen Diät, um ihren Körper in den Griff zu bekommen. Auch den mit honigfarbenen Strähnchen aufgehellten Haaren und den blauschwarz getuschten Wimpern, die ihre veilchenblauen Augen einrahmten, waren einige Experimente mit verschiedenen Tönungsmitteln und Kosmetikprodukten vorangegangen.
»Wofür hältst du dich? Für eine verdammte Märchenprinzessin?«, hatte Elsa immer wieder gestichelt.
Helen hatte sie ignoriert. Nicht dass sie etwas dagegen gehabt hätte, eine Märchenprinzessin zu sein. Aber als die zweitälteste Tochter einer kinderreichen Familie machte sie sich keinerlei Illusionen, was die Existenz guter Feen betraf. Sie musste sich nur ihre von den vielen Geburten, ständigen Geldnöten und der täglichen harten Hausarbeit verhärmte Mutter oder ihren auf dem Bau schuftenden Vater anschauen, um zu wissen, dass ihre Aussichten auf eine glänzende Zukunft gering waren.
Aber sie war hübsch und ihr Aussehen konnte ihr viele Türen öffnen. Es muss einfach zu etwas nütze sein , redete sie sich selbst immer wieder Mut zu, denn
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