Ich weiß, was du letzten Sommer getan hast
sie wusste nur allzu gut, dass es ihr für ein Studium an Begabung fehlte. Die Schule abzubrechen, um den Job als Future Star annehmen zu können, war deswegen auch eher eine Erleichterung als ein Opfer gewesen. Es gab sowieso nur einen einzigen Grund, warum sie es überhaupt so lange auf der Highschool ausgehalten hatte – sie hatte sich verliebt.
Von der Sekunde an, in der sie Barry Cox gesehen hatte, war es um sie geschehen. Groß, breitschultrig, gut aussehend, beliebt – einen perfekteren Jungen hätte sie sich kaum vorstellen können. Als Kapitän des überregional erfolgreichen Football-Teams hätte er jedes Mädchen haben können, und trotzdem entschied er sich für sie, was in ihren Augen einem Wunder gleichkam.
Alles war so schnell gegangen, dass es ihr nie gelungen war, die genauen Umstände nachzuvollziehen. Sie war auf dem Nachhauseweg von der Schule gewesen, als Barry neben ihr in einem knallroten Sportwagen hielt.
»Hi«, sagte er. »Komm, steig ein. Ich fahr dich nach Hause.«
Als er sie absetzte, bat er sie um ein Date. Einfach so. Danach war ihre Welt nicht mehr dieselbe gewesen.
Als sie sich jetzt in ihrem Liegestuhl am Pool – den sie heute, da Samstag war, nicht ganz für sich allein hatte – ausstreckte und sich von der Morgensonne wärmen ließ, dachte sie: Ich hätte ihn nicht anrufen sollen.
Barry mochte es nicht, wenn man ihn unter Druck setzte. Das hatte sie von seiner Mutter gelernt. Am Tag ihrer ersten Verabredung hatte sie ihn zu Hause angerufen, um ihn zu fragen, wann er sie abholen würde.
Mrs Cox war ans Telefon gegangen.
»Wenn ich Ihnen einen Rat geben darf, meine Liebe«, hatte sie mit ihrer kühlen, abweisenden Stimme gesagt, »Barry reagiert sehr allergisch, wenn Mädchen ihm hinterhertelefonieren. Er wird sich schon melden, wenn er Ihnen etwas zu sagen hat. Halten Sie sich daran, und diese kleine Affäre wird länger halten, als Sie es zu träumen wagten, glauben Sie mir.«
Seitdem hatte sie ihn ganz bewusst immer nur angerufen, wenn es wirklich dringend war. Gestern schien so eine Situation gewesen zu sein, aber im Nachhinein war ihr klar geworden, dass sie die Angelegenheit falsch eingeschätzt hatte. Barry war gereizt gewesen, weil er für seine Klausuren lernen musste. Es war lächerlich gewesen, ihm wegen dieses albernen Briefs die Zeit zu stehlen. Seine Erklärung war so einleuchtend gewesen, dass sie überhaupt nicht mehr nachvollziehen konnte, warum sie und Julie nicht von selbst darauf gekommen waren.
»Entschuldige, ist die Liege hier noch frei?« Die Stimme erklang direkt neben ihr. Helen fuhr erschrocken zusammen und riss die Augen auf, war jedoch einen Moment von der Sonne geblendet.
»Tut mir leid«, entschuldigte sich der junge Mann. »Ich wollte dich nicht erschrecken.«
»Schon in Ordnung. Ich muss eingeschlafen sein. Ich habe dich gar nicht kommen hören.«
Helen schirmte die Augen ab, um zu ihm aufsehen zu können. Ihr Blick registrierte braune Augen, braune Haare, ein markantes Gesicht, mittelgroße Statur und olivgrüne Badeshorts.
Sie war sich sicher, ihn hier noch nie gesehen zu haben.
»Bist du gerade erst eingezogen?«, fragte sie.
»Ja, gestern. Apartment 211. Stört es dich, wenn ich mich zu dir setze?«
»Nein, natürlich nicht.« Helen lehnte sich wieder zurück und schaute träge zu, wie er es sich auf dem Liegestuhl neben ihr bequem machte. Es gab noch ein paar andere freie Plätze um den Pool, an die er sich hätte setzen können.
»Ein idealer Tag für Sonnenanbeter«, scherzte sie. »Samstags haben die meisten frei und nutzen die Zeit, um ihre Bräune aufzufrischen. Ich bin übrigens Helen Rivers.«
»Collingsworth Wilson«, stellte er sich vor. »Der Name ist ein echter Zungenbrecher, sorry. Ich habe gerade meinen Militärdienst abgeleistet, anschließend wieder eine Weile bei meinen Eltern nicht weit von hier in den Bergen gewohnt und mich jetzt entschlossen, mir eine eigene Wohnung in der Stadt zu nehmen. Ich habe vor, an der Uni ein paar Sommerkurse zu belegen, um ein bisschen reinzuschnuppern, bevor ich mich entscheide, was ich mache.«
»Mein Freund studiert dort«, sagte Helen. Sie hatte es sich zum Prinzip gemacht, diese Information immer so früh wie möglich in die Unterhaltung mit einfließen zu lassen, wenn sie jemand Neues kennenlernte. Die Erfahrung hatte sie gelehrt, dass ein harmloser Flirt sehr viel mehr Spaß machte, wenn man sich erst einmal des Problems entledigt hatte, eindeutige Angebote abwehren zu
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