Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ich weiß, was du letzten Sommer getan hast

Ich weiß, was du letzten Sommer getan hast

Titel: Ich weiß, was du letzten Sommer getan hast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lois Duncan
Vom Netzwerk:
Zeitschrift ausgeschnittene Werbeanzeige. Der Text war so herausgeschnitten worden, dass nur das Foto übrig geblieben war – es zeigte einen kleinen Jungen auf einem Fahrrad.

FÜNF
    Ray Bronson war nicht übe r rascht, als er morgens den Umschlag im Briefkasten entdeckte. Er öffnete ihn und zog den Zeitungsausschnitt heraus. Den Inhalt kannte er auswendig, schließlich hatte er den Artikel schon unzählige Male gelesen. Er las ihn trotzdem noch einmal und unterdrückte auch nicht die Gefühle, die dabei von Neuem in ihm aufstiegen:
    Gestern Abend kam es etwa drei Kilometer südlich des Grillplatzes Silver Springs auf der Mountain Road zu einem tödlichen Unfall mit Fahrerflucht. Bei dem Opfer handelt es sich um den zehnjährigen Daniel Gregg, den Sohn von Michael und Mary Gregg, 1279, Morningside Road Northeast. Der Junge war mit seinem Fahrrad unterwegs, als er von einem bislang nicht identifizierten Fahrzeug erfasst und überfahren wurde.
    Ein mutmaßlicher Insasse des flüchtigen Fahrzeugs meldete sich anonym bei der Notrufzentrale, woraufhin unverzüglich ein Krankenwagen und eine Streife losgeschickt wurden. Als die Rettungskräfte am Unfallort eintrafen, befand sich der Junge noch bei Bewusstsein, auf der Fahrt in das St. Joseph’s Krankenhaus erlag er jedoch seinen schweren Verletzungen.
    Wie Mr Gregg gegenüber der Presse mitteilte, hatte sein Sohn bei einem Freund in der Nähe übernachten wollen, sich jedoch im Laufe des Abends offensichtlich dazu entschlossen, nach Hause zurückzukehren. Das Fahrrad hatte weder Licht noch Rückstrahler.
    Die Polizei fahndet noch nach dem Wagen, der den Jungen überfahren hat. Farbabriebe an dem Fahrrad belegen, dass es sich um ein Fahrzeug mit hellblauer Lackierung handeln muss.
    Daniel hinterlässt seine Eltern, einen Halbbruder, eine Halbschwester, einen Großvater mütterlicherseits, zwei Tanten, einen Onkel …
    Ray faltete den Artikel zusammen und schob ihn in den Umschlag zurück. Seine eigene Adresse starrte ihm entgegen – es waren die gleichen von Hand geschriebenen schwarzen Buchstaben wie in der Nachricht an Julie.
    Das ist kein Scherz, dachte er. Da meint es jemand todernst.
    Nicht dass er jemals daran gezweifelt hätte. Aber da Julie so bereitwillig an Barrys Erklärungsversuche geglaubt hatte, war es ihm wenig sinnvoll erschienen, das Thema weiter zu vertiefen. Zumal immerhin eine winzige Chance bestanden hatte, dass es sich tatsächlich nur um einen albernen Streich handelte.
    Hat es uns schließlich doch eingeholt, stellte er in Gedanken fest. Aber das eigentlich Überraschende war, dass es ihn nicht wirklich überraschte. Es war, als hätte er tief in seinem Inneren die ganze Zeit über gewusst, dass es eines Tages passieren würde. Das war auch der Grund, warum er vor einem Jahr fortgegangen und jetzt nach Hause zurückgekehrt war.
      
    Der Raymond Bronson von vor einem Jahr war ein ziemlich rückgratloser Kerl gewesen. Eine Erklärung dafür war, dass er immer schon der »Kleine« gewesen war. Obwohl man bei einem Meter achtzig nicht wirklich von klein sprechen konnte, ließ ihn seine extrem schlanke und nicht besonders athletische Statur doch eher schmächtig wirken. In den meisten Familien hätte das keine Rolle gespielt. War man jedoch der einzige Sohn eines ehemaligen Profi-Footballspielers, spielte es sogar eine ziemlich große Rolle.
    Rays Vater Herb Bronson war in seiner Jugend als »der Treter« bekannt gewesen. Freunde von früher nannten ihn heute noch so, und manchmal bezeichnete er sich sogar selbst so, wenn auch auf eher scherzhafte Art.
    »Ist das Essen fertig?«, rief er zum Beispiel manchmal abends, wenn er nach Hause kam. »Der Treter könnte einen ganzen Stier verdrücken!«
    Und Mrs Bronson, die in der Küche mit dem Essen hantierte, rief dann lachend zurück: »Da habe ich ja gerade noch mal Glück gehabt! Heute gibt’s nämlich Rinderschmorbraten!«
    Dem Treter war keine besonders lange oder glorreiche Karriere beschieden gewesen. In seinem zweiten Jahr als Halfback zog er sich eine Knieverletzung zu und musste sich widerstrebend aus dem Profisport zurückziehen, erwies sich allerdings in den folgenden Jahren als ein äußerst erfolgreicher Geschäftsmann. Bronson’s Sportshop war der erste seiner Art, aus dem eine kleine Kette hervorging, die mittlerweile im ganzen Südwesten der USA verbreitet war.
    Dass Ray sich nicht zur Sportskanone entwickelt hatte, war für den Treter eine Enttäuschung gewesen, das hatte Ray

Weitere Kostenlose Bücher