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Ich werde die Bilder im Kopf nicht los - mein Leben nach dem Missbrauch

Ich werde die Bilder im Kopf nicht los - mein Leben nach dem Missbrauch

Titel: Ich werde die Bilder im Kopf nicht los - mein Leben nach dem Missbrauch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arena
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Vater ausgezogen war. Mein Bruder und ich waren noch immer im Schockzustand darüber, dass unser Papa so plötzlich in einem Heim verschwunden war. Und was es noch schlimmer machte: Meine Mutter wollte nicht, dass wir weiterhin Kontakt zu ihm hielten, und verbot uns auch, ihn im Pflegeheim zu besuchen. Lediglich telefonieren durften wir. Oder besser: Das konnte sie uns nicht verbieten, das machten wir, wenn sie es nicht mitbekam. Jeder für sich. Und ich bestimmt viel häufiger als mein Bruder – ich war ein Papa-Kind.
    Mein Vater fehlte mir sehr. Das Haus war unglaublich leer ohne ihn. Wann immer ich ihn anrief und weinte, versuchte er, mich zu trösten, und beteuerte, dass es im Heim besser für ihn sei. Das verstand ich nicht. »Aber ich kann mich doch um dich kümmern«, bettelte ich dann, woraufhin Papa mich beruhigen wollte: »Meine Große! Aber du musst doch zur Schule und Mama hat so viel im Betrieb zu tun.« Er war immer lieb und verständnisvoll. Immer. Kein einziges böses Wort über Mama.
    Und dann wurde alles noch unvorstellbar viel schlimmer: An einem Wochenende kurz nach Papas Auszug sagte Mama geheimnisvoll: »Heute machen wir etwas ganz Besonderes.« Sie hatte sich ein schönes Kleid angezogen, die Haare geföhnt und roch stark nach Parfüm. Wie früher, wenn wir mit Papa zusammen zu irgendwelchen tollen Ausflügen aufgebrochen waren. Ich wunderte mich, weil ich Mama lange nicht mehr so erlebt hatte. Sie wirkte überdreht, und das passte so gar nicht zu meiner und Alex' Stimmung. Wir sahen uns irritiert an. Ohne ein Wort zu sagen, wussten wir, dass der andere dasselbe dachte. Anstatt uns über den angekündigten Ausflug zu freuen, waren wir schlagartig alarmiert und fühlten, dass etwas Merkwürdiges vor sich ging. Und so war es dann auch. Wir fuhren zu McDonald’s und hatten uns gerade mit unseren Pommes, Burgern und Cola an einen Tisch gesetzt, als ein Mann quer durch das Restaurant auf uns zusteuerte. Er war klein und kräftig, trug einen hässlichen braunen Lederblouson und einen noch viel hässlicheren braunen Schnauzbart. Mama strahlte. Ich kannte ihn vom Sehen – er war auch auf Papas letzter Geburtstagsparty gewesen. Was wollte der hier?
    Er gab Mama einen Kuss und setzte sich neben sie. Kein Wort über das, was wir nur aus ihren Gesten lesen konnten und aus Mamas Gekicher. Alex und ich sahen uns wieder an. Hilflos und ohne Worte. Aber Mama wirkte glücklich. Und dieser Mann vielleicht auch.
    Kurz darauf zog er bei uns ein. In Mamas Schlafzimmer. Nicht ins Gästezimmer. Genauso plötzlich wie unser Vater verschwunden war … Ich hätte gerne mit Papa darüber geredet, aber Mama wollte jetzt erst recht nicht mehr, dass wir Kontakt zu ihm hatten. Wir waren nun doch schließlich wieder eine richtige Familie, seit ER eingezogen war …
    Nur noch ganz selten traute ich mich, mit Papa zu telefonieren, weil ich immer Angst hatte, erwischt zu werden. Die Stimmung zu Hause wurde jeden Tag ungemütlicher: Wenn ich nachts schlecht träumte, durfte ich nicht mehr rüber ins Schlafzimmer kommen, weil ER das nicht wollte. Fernsehen durften wir morgens auch nicht mehr, ständig bekam mein Bruder richtig Ärger wegen irgendwelcher Kleinigkeiten, sodass er sich bald kaum mehr aus seinem Zimmer wagte, wenn Mamas neuer Freund da war. Glücklicherweise war er Fernfahrer und öfter für mehrere Tage unterwegs. Auch wenn ER zu mir nett war und mir regelmäßig irgendwelche kleinen Geschenke von seinen Fahrten mitbrachte, mochte ich ihn nicht. Er war mir unheimlich, ich fand es schlimm, wie er mit meinem Bruder umging, und ich dachte sehnsüchtig an die Zeit, in der wir mit Papa so viel in unserem Haus gelacht hatten. Gelacht wurde kaum noch.
    »Können wir weitermachen?« Die Männerstimme reißt mich aus meinen Gedanken. Vor mir steht Martin Krause, mein zuständiger Ermittler. Ich kann gar nicht sagen, wie lange ich hier auf dem Gang gesessen habe. Ich kann gar nichts sagen. Deshalb zucke ich nur mit den Schultern, stehe dann aber auf, um ihm zu folgen.
    Krause: »Geht es Ihnen wieder besser und fühlen Sie sich in der Lage weiterzumachen?«
    Ich: »Ja.«
    Krause: »Gut. Wenn Sie noch mal eine Pause brauchen, dann sagen Sie das gerne. Das ist kein Problem.«
    Ich: Kopfnicken.
    Krause: »Möchten Sie jetzt etwas zu dem Verhältnis zu Ihrem Stiefvater sagen?«
    Ich: Schweigen
    Krause:»Haben Sie sich gut verstanden?«
    Ich: Schweigen
    Krause: »Fühlen Sie sich in der Lage, noch weiterzumachen?«
    Ich:

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