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Ich werde immer da sein, wo du auch bist

Ich werde immer da sein, wo du auch bist

Titel: Ich werde immer da sein, wo du auch bist
Autoren: Nina Lacour
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Grüße
    Caitlin
    Es ist schon Mittagszeit, und ich habe Hunger, deshalb gehe ich zu dem Café, an dem ich vorhin vorbeigekommen bin, bestelle mir ein Sandwich und einen Café Latte und setz mich an einen Tisch, umringt von älteren schwarzgekleideten Menschen, die sich über wichtige Dinge zu unterhalten scheinen.
    Ein Mädchen in einem Cocktaildress aus dem letzten Jahrhundert ruft mich an den Tresen, also zwänge ich mich zwischen den anderen Tischen hindurch und hole meine Bestellung. Beim Essen sehe ich die Kopien durch und überlege, welche ich meinen Eltern geben soll. Ich trinke einen Schluck von meinem Kaffee und beschließe, dass ich ihnen alles geben will. Ich trinke noch einen Schluck. Dann noch einen. Auch nachdem der Schaum weg ist, schmeckt der Kaffee noch gut, irgendwie nach Milch und nicht zu stark. Vielleicht messe ich dem zu viel Bedeutung bei, aber irgendwie macht mich das glücklich – ich habe ein ganzes Jahr lang nach einem Kaffeegetränk gesucht, das mir schmeckt, und jetzt habe ich es gefunden.

21
    Um zwei Uhr nachmittags bin ich wieder in Los Cerros.
    Als ich bei Jayson klingele, kommt ein Mann im Trainingsanzug und einem T-Shirt der
Oakland A’s
an die Tür. Er ist so groß wie Jayson, aber er sieht nicht so athletisch aus. Hinter ihm in einem kleinen Wohnzimmer stehen eine durchgesessene Couch und ein Fernsehsessel. Ein Fernseher dudelt Werbung.
    »MrMichaels?«, frage ich.
    »Stimmt.«
    »Ich heiße Caitlin. Jayson und ich gehen auf dieselbe Schule …«
    Er macht die Tür weiter auf. »Komm rein. Jayson und ich sehen uns gerade ein Baseballspiel an.«
    »Jay-son!«, ruft MrMichaels, während ich eintrete.
    Jayson kommt aus einem Raum – wahrscheinlich aus der Küche –, denn er trägt eine riesige Schüssel mit Popcorn. Er hat die Kappe der
A’s
verkehrt herum aufgesetzt. Ich muss laut lachen.
    »Große Fans?«, frage ich, und sie lachen und nicken, als ob ich ihnen auf die Schliche gekommen wäre.
    MrMichaels will unbedingt, dass ich mich in seinen Sessel setze, eine Ehre, lässt er mich wissen, die nur sehr besonderen Gästen zuteilwird.
    Jayson verdreht die Augen. Ich esse von Jaysons Popcorn.
    Während des dritten Innings werde ich unruhig. Ich muss heute noch so viel erledigen, aber ich weiß nicht, wie ich Jayson seine Seiten geben kann, ohne vor seinem Vater eine große Schau abzuziehen. Ich versuche, Jaysons Blick aufzufangen, und als es mir schließlich gelingt, zeige ich mit dem Kopf zur Tür. Ich mach es ganz unauffällig, zu unauffällig wahrscheinlich, denn Jayson sieht mich nur an und fragt: »Willst du noch Popcorn?«
    »Gern«, sage ich ratlos, und er reicht mir die halbvolle Schüssel.
    Nach noch einem Inning verzweifle ich allmählich. Ich kann bloß hoffen, Jayson wurde beigebracht, dass man seine Gäste zur Tür begleitet. Deshalb sage ich, dass ich losmuss.
    »Ich bring dich zur Tür«, sagt Jayson, und ich würde ihn am liebsten umarmen.
    Als wir draußen stehen, sagt er: »Mein Vater wird mich ganz schön in die Mangel nehmen, wenn ich wieder reingehe!«
    »'tschuldigung.« Ich weiß, dass es total schräg wirken muss, dass ich einfach so aufgetaucht bin und das halbe Spiel mit ihnen angeschaut habe.
    »Nein, ist schon okay«, versichert mir Jayson. »Wir sind Freunde, du kannst immer vorbeikommen. Aber mein Vater wird denken, dass zwischen uns was läuft. Er wird enttäuscht sein, wenn ich ihm sage, dass er sich da irrt. Es sind schon einige Mädchen zu uns gekommen, aber noch nie hat er einer seinen Sessel angeboten.«
    »Klar, natürlich.«
    »Nein, ernsthaft! Er steht total auf dich.«
    »Ach nee!« Ich lache. »Tut mir wirklich leid, dass ich ihn enttäuschen muss. Er ist sehr nett.«
    Jayson wartet, bis ich die Autotür aufgeschlossen und meine schwere Tüte auf den Sitz gelegt habe.
    »Was hast du denn da drin?«
    »Zu viel. Und einiges davon ist für dich.«
    »Echt?«
    Ich ziehe seine Seiten heraus und drücke sie ihm in die Hand.
    »Es sind Kopien, die ich von Ingrids Tagebuch gemacht habe.«
    Jayson setzt sich in mein Auto und knipst die Innenbeleuchtung an. Ich setze mich auf den Kofferraum und lasse ihm Zeit, alles zu lesen.
    Ich habe versucht, ehrlich zu entscheiden, wem ich was zukommen lasse, aber nach langem Grübeln habe ich Jayson nur die guten Eintragungen gegeben. Ich glaube nicht, dass er über den Rest Bescheid wissen will, und ich bin mir ziemlich sicher, dass Ingrid das auch nicht gewollt hätte.
    Ich warte eine gefühlte Stunde,
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