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Ich werde immer da sein, wo du auch bist

Ich werde immer da sein, wo du auch bist

Titel: Ich werde immer da sein, wo du auch bist
Autoren: Nina Lacour
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dem Rucksack. Ich lege es offen auf den Tisch. Als ich mir sicher bin, dass meine Eltern schlafen, gehe ich ans Fenster und sehe runter auf mein Auto. Dann in den Himmel.
    Ich habe eine Idee und warte auf den Morgen.

18
    Hoffnung steigt auf, ein gutes Gefühl.
    Um acht Uhr verlasse ich das Haus. An der Espressomaschine lehnt ein Zettel für meine Eltern, auf dem ich ihnen alles erkläre, damit sie wissen, was ich heute vorhabe und warum. Ich gehe an dem letzten Bretterstapel vorbei, an den Blumentöpfen mit den blauen Blumen, an den reifenden Tomaten.
    Als ich mich in mein Auto setze, spüre ich den Kunstpelz des Sitzbezugs weich an meinen Beinen. Ich trage einen Rock, den ich seit einem Jahr nicht mehr angehabt habe – grün und gelb kariert und so kurz, dass man meine blassen, spitzen Knie sehen kann.
    Ich lasse den Motor an und denke an Taylors streichelnde Fingerspitzen an meinen Oberschenkeln. Tief in meinem Bauch spannt sich etwas an. Ein gutes Gefühl.
    Ich lege den ersten Gang ein und fahre vorsichtig die Auffahrt runter. Ich möchte meine Eltern an ihrem einzigen Ausschlaf-Morgen nicht wecken.
    Obwohl ich Daveys Kassette toll finde, möchte ich jetzt lieber etwas Neues hören, deshalb suche ich auf dem Weg zur Schnellstraße an jeder roten Ampel im Radio nach guten Songs. Rauschen und Knistern kommt aus den Lautsprechern, gefolgt von Radiogequatsche, ein schmalziges Liebeslied, ein Prediger mit einer Stimme wie Kieselsteine, dann ein Lied, das ich liebe – ein perfektes Morgenlied. Ich lasse die Seitenfenster runter, drehe die Lautstärke hoch und singe laut mit, während ich durch die menschenleeren Straßen fahre.
    Ich fahre auf die Schnellstraße, gebe Gas und lege den fünften Gang ein. Zuerst ist die Straße fast leer, aber je weiter ich mich von den Vororten entferne, desto mehr Autos tauchen auf. Ich versuche mir vorzustellen, wo sie hinfahren.
    Ein Asiate in einem Lexus – an einem Samstag ins Büro? Ich stelle mir vor, wie seine Tochter sagt:
Paps, immer musst du arbeiten.
Doch der Mann sieht total zufrieden aus, deshalb denke ich, dass er seinen Job gern macht. Eine alte Frau beugt sich über ihr Lenkrad – auf dem Weg zum Frühstück mit ihrer Strickgruppe, sicher strickt sie an einem Pullover für ihren Mann.
    Als die Mautstelle näher kommt, umklammere ich das Steuer fester und versuche, die aufsteigende Panik zu unterdrücken. Ich werde zum ersten Mal über die Brücke fahren, und momentan fühlt sich das an wie der Sprung von einer Klippe. Der Mann an der Mautstelle hat Kopfhörer auf und tanzt. Ich gebe ihm einen Zehner, und er reicht mir das Wechselgeld, und dann geht es richtig los. Ich muss mich für eine von zig Spuren entscheiden und zwischen Tausenden von Autos eingliedern und stoße einen Schrei puren Entsetzens aus, aber wunderbarerweise überlebe ich es. Was als Nächstes kommt, ist furchterregend, aber es könnte auch der erhebendste Augenblick meines Lebens sein.
    Ich bin schon viele Male über diese Brücke gefahren, aber noch niemals mit solchen Gefühlen. Das Land fällt unter mir weg. Zu beiden Seiten ist Wasser und darauf ein paar Boote, so weit weg, dass sie wie Spielzeuge aussehen, die auf dem Wasser der Bucht schaukeln. Über mir sind dicke, starke Kabel, die die Brücke tragen. Himmel. Ein Windstoß kommt, und ich umklammere das Lenkrad fester. Treasure Island kommt näher, und ich fahre wieder über festen Boden, dann ist Treasure Island nur noch ein Punkt in meinem Rückspiegel, und ich befinde mich wieder über Wasser, die Stadt erstreckt sich vor mir, voller Möglichkeiten.
    Bei Duboce Street fahre ich ab und hole die Wegbeschreibung hervor, die ich heute Morgen ausgedruckt habe. Ich fahre durch unbekannte Straßen. Der Ausdruck zeigt eine andere Route als die, die Dylan und ich an jenem Nachmittag vor ein paar Monaten langgegangen sind, aber ich folge ihr gewissenhaft, finde einen Parkplatz und stelle den Motor aus.
    Ich stecke ein paar Münzen in die Parkuhr und gehe durch die Tür von COPY CAT .
    Maddy sieht mich zuerst und ruft mir was vom Tresen zu. Ich grinse erleichtert – ich war mir nicht sicher gewesen, ob sie heute arbeitet. Sie bedient einen Kunden, während ich in einer Ecke des Ladens auf sie warte, weil ich nicht weiß, ob sie während der Arbeit von Freundinnen besucht werden darf. Ich möchte ja nicht, dass sie Ärger mit ihrem Chef kriegt. Aber sobald sie fertig ist, tänzelt sie in ihrer Schürze auf mich zu und umarmt mich.
    »Was tust du
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