Ich werde rennen wie ein Schwarzer, um zu leben wie ein Weisser
Nationalmannschaft, einer der Favoriten auf den WM-Titel, stammt aus Sol Béni. Die besten Schüler haben Karriere gemacht, Salomon Kalou beim FC Chelsea, Emmanuel Eboué bei Arsenal London und Yaya Touré beim FC Barcelona.
Dieses Buch ist eine Einladung, mitzukommen auf eine Reise, zu Orten des Betrugs und der Enttäuschung, aber auch zu Orten der Kraft und des Stolzes. Es ist eine Einladung, unterwegs zuzuhören, Ojokojo Torunarigha aus Nigeria, dem ersten afrikanischen Spieler im Osten Deutschlands. Oder Samuel Eto’o aus Kamerun, der seinen Kontinent entflammt sieht, bereit für den Triumph bei der Weltmeisterschaft.
Wer den afrikanischen Fußball verstehen möchte, der gehe mit auf diese Reise.
Hamburg, im März 2010
Christian Ewers
GROSSE OPER IN BRÜGGE
Auf das Display seines Navigators schaut er nur, wenn das Telefon klingelt. Dann blinken da Nummern aus fernen Ländern, 00237 für Kamerun, 00233 für Ghana, 00971 für die Vereinigten Arabischen Emirate. Der kleine Bildschirm und das Blackberry im Fach neben dem Steuerknüppel, das ist Oliver Königs Büro. Vom Lenkrad seines grauen Audi Q5 aus macht König Geschäfte mit aller Welt, er vermittelt Fußballer, er hat Trainer, Talentscouts und Jugendbetreuer im Angebot - und im Moment sogar einen ganzen Klub.
00971 will groß einsteigen, ein Investor aus den Emiraten, am Telefon kommt der Mann mit der dünnen Stimme schnell zur Sache. »Wenn Belgien tatsächlich zu haben ist, bin ich dabei«, flüstert er. »Check mal, was da los ist.« Belgien, das ist das Codewort für Royal Charleroi SC, 1904 gegründet, viel Tradition, aber in mehr als hundert Jahren keine Meisterschaft und kein Pokalsieg. Es geht das Gerücht, der Präsident, ein Iraner, wolle den Klub verkaufen. »Ich höre mich um«, sagt König. »Melde mich.«
Seine wichtigsten Telefonate dauern nie lange. Wer wirklich einen Deal machen will, fasst sich kurz, das hat König in seinen 14 Jahren als Agent gelernt. Viele, die ihn anrufen, wollen nur quatschen, ein paar Informationen absaugen, oft auch lästern, und die meisten wollen ein bisschen Trost. König geht selten ran,
wenn wieder so jemand in der Leitung ist. Er kennt die Nummern, meist gehören sie zu arbeitslosen Trainern aus Deutschland, die wollen immerzu reden, und am Ende des Gesprächs wollen sie von König hören, dass das Deppen waren in ihrem letzten Klub, totale Fußballidioten, von denen sie rausgeschmissen wurden.
König, schütteres blondes Haar, schwarze Hornbrille, betreibt mit Fritz Popp die Agentur FP Sport Promotion. Gemeinsam nahmen sie einst Heiko Westermann unter Vertrag, damals Jugendspieler bei Bayern Alzenau in der Oberliga, und brachten ihn über die Stationen Greuther Fürth und Arminia Bielefeld zum FC Schalke. Seit zwei Jahren ist Westermann, 26, Nationalspieler. Bei der WM in Südafrika zählt er zu den Stützen der deutschen Mannschaft. Sein Marktwert: zehn Millionen Euro.
Westermann und jetzt diese Sache mit Charleroi, das passt eigentlich nicht zu König. So große Deals sind Ausnahmen für ihn. Königs Kerngeschäft sind die Namenlosen, viele von ihnen stammen aus Afrika. Sein Alltag sind die Stimmen aus 00233 Ghana oder 00237 Kamerun oder 00225 Elfenbeinküste, oft mitten in der Nacht, oft verzweifelt.
Kurz nachdem der Mann aus den Emiraten aufgelegt hat, surrt Königs Blackberry erneut. Vorwahl Kamerun, das Display meldet: Kouemaha, Dorge. »Dorge, what’s up?«, ruft König und biegt ab auf die A3 Richtung Köln. Im Rückspiegel verschwinden die letzten Lichter von Frankfurt.
Dorge Rostand Kouemaha, 26, geboren in Loum, Kamerun, zwei Länderspiele, ist Stürmer beim FC Brügge in Belgien. König hat ihn dorthin vermittelt, nach einer Saison und 15 Toren für den Zweitligisten MSV Duisburg. Der Wechsel bedeutete einen Schritt
nach vorn für Kouemaha, er spielt jetzt im Uefa-Cup und hat mit Brügge gute Chancen auf die belgische Meisterschaft.
Dorge Kouemaha (r.), Stürmer des FC Brügge
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Kouemaha ist jetzt seit vier Wochen in Brügge, wohnt aber noch immer im Hotel, es wird irgendwie nichts mit dem versprochenen Appartement. In der letzten Zeit hat er oft bei König angerufen, er sagte kaum etwas, druckste herum, und wenn König dann nachhakte: Nein, nein, alles okay. Für König war das ein Signal, so verstockt kannte er Kouemaha nicht, ich muss da sofort hin, dachte er.
König war vor drei Jahren zufällig bei einer Internetrecherche auf Kouemaha aufmerksam geworden. 23 Jahre
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