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Ich werde rennen wie ein Schwarzer, um zu leben wie ein Weisser

Titel: Ich werde rennen wie ein Schwarzer, um zu leben wie ein Weisser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ewers
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alt, 1,90 Meter groß, ehemaliger Torschützenkönig der kamerunischen Liga -
was macht so einer bei einem Klub namens FC Tatabánya, im Tabellenkeller der ungarischen Liga? König besuchte Kouemaha in Budapest, er sagte zu ihm: »Wenn du gesund bleibst und geduldig bist, könnte ich dich vielleicht nach Deutschland bringen.«
    Ein Satz, den so ähnlich viele Agenten sagen, aber König ist vorsichtig mit solchen Sätzen, er weiß, was sie anrichten können. König sagt sie selten, und immer ist ein Konjunktiv darin enthalten und nie ein Versprechen.
    Das Navigationsgerät zeigt noch drei Stunden Fahrzeit bis nach Brügge an, es ist Stau gemeldet. »Wann bist du endlich da?«, fragt Kouemaha durchs Telefon. »Ich muss dir jetzt doch etwas erzählen, gestern wieder, beim Training...« König unterbricht ihn, macht ein paar Scherze, er komme sowieso nur wegen des leckeren Essens und wegen des belgischen Biers. Er will das jetzt nicht, ein Problemgespräch bei Tempo 180.
    Oliver König ist zwar erst 35 Jahre alt, aber wenn es um Fußballer aus Afrika geht, ist er einer der erfahrensten Agenten in Deutschland. Und, das sagen viele Trainer: der beste.
    Mitte der Neunzigerjahre zog König nach Frankfurt, mit dem Fußballspielen hatte er aufhören müssen wegen einer Knieverletzung, er tat endlich das, was sich sein Vater, ein Grundschulrektor, gewünscht hatte: Er begann ein Jurastudium. Doch so ganz verabschiedete König sich nicht aus dem Sport, er kümmerte sich nebenbei um einige Nachwuchsspieler von Eintracht Frankfurt, mit denen er noch aus seiner aktiven Zeit befreundet war. Viele von ihnen stammten aus Afrika und waren nur wenig jünger als er selbst. König begleitete sie bei Behördengängen, half ihnen bei der Wohnungssuche, erledigte den Papierkram, Miete, Strom, Versicherungen.
Kleinigkeiten, die zu riesigen Hürden werden können, wenn man fremd ist in einem Land.
    König nahm kein Geld, es waren Freundschaftsdienste. Er mochte den Style der Afrikaner, ihren Hip-Hop, ihre sackigen, weit geschnittenen Klamotten, ihre Lässigkeit. König stammt aus Nidderau, Main-Kinzig-Kreis, tiefstes Hessen. Für ihn tat sich eine andere, eine faszinierende Welt auf.
    Dorge Kouemaha schlappt in Badelatschen die Lobby des Hotels Weinebrugge auf und ab, als König am Abend eintrifft. Kurze Umarmung, dann ein Abklatschen, das aussieht wie Armdrücken. Kouemaha führt ins Restaurant, er geht kerzengerade, die Kinnspitze leicht angehoben, ein stolzer Mann. Kouemaha bestellt nichts zu essen, auch trinken will er nichts. Er will jetzt nur reden. »Der Trainer mag mich nicht«, das sind seine ersten Worte. Immer habe er in den Spielen seine Tore gemacht, immer vollen Einsatz im Training gezeigt, trotzdem nur Reservebank, eingewechselt für eine halbe Stunde oder weniger. »Weißt du, Olli«, ruft Kouemaha in einer Mischung aus Englisch und Französisch, »ich bin nicht der Typ Spieler, den man so einfach draußen lässt. Ich war mein Leben lang in der ersten Elf. Mein Leben lang. Ich lasse mir das nicht mehr gefallen!«
    Kouemaha ist in sich zusammengesackt, die Schultern hängen schlaff nach vorn, er starrt auf die Tischplatte. König wartet ein paar Sekunden mit seiner Antwort, als wolle er Kouemahas Donnerwetter verhallen lassen.
    »Dorge, du kennst Luca Toni vom FC Bayern? Ja?« Es ist Oktober 2009, noch spielt der Italiener in München. »Toni hat sogar bei den Amateuren trainieren müssen - und Toni ist Weltmeister. Aber er hat nicht aufgegeben, er hat sich rangekämpft, und jetzt wird er
wieder aufgestellt. Dein Kollege ist ein echter Profi. Und du doch auch, Dorge?«
    Kouemaha mault, Toni habe ja zum Schluss nicht mehr getroffen, aber er sagt das sehr leise. Er hat verstanden. Es schmeichelt, dass König ihn mit dem berühmten Stürmer vergleicht, ein Lächeln huschte da über Kouemahas Gesicht.
    König spürt, dass er den Schlüssel gefunden hat, dass Kouemaha jetzt bereit ist zuzuhören, anzunehmen. König analysiert die letzten Spiele im Schnelldurchlauf - die Europaliga-Partie auswärts gegen den FC Toulouse: »Dein Trainer will auf Konter spielen. Wen nimmt er da? Joseph Akpala, der läuft wie ein Rennpferd? Oder Dorge Kouemaha, der im Strafraum steht und Bälle super behaupten kann? Wen hättest du als Trainer aufgestellt?« Kouemaha sagt: »Joseph.«
    So geht das noch eine Weile, Partie für Partie, irgendwann sagt Kouemaha, dass Coach Adrie Koster im Prinzip ein guter Kerl sei, nur würde er gern mal wieder von Beginn

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